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FC St.Gallen
Corona macht dem FC St.Gallen zu schaffen. Für seine Spielweise würde er Beständigkeit in der Formation benötigen. Der eine Halbzeit lang mühsame Kick gegen Lausanne bestätigte: Der Fortschritt stockt. Aber das hat auch Vorteile.
Die Startformation vom Sonntag hatte es in dieser Saison noch nie gegeben und wird es auch nicht mehr geben. Vier Coronafälle im Team des FC St.Gallen – andernorts in der Super League wäre die Partie wahrscheinlich verschoben worden – machten die Aufgabe gegen den kecken Aufsteiger Lausanne noch schwieriger. Hatte Trainer Peter Zeidler in den bisherigen Spielen schon mühsam Lösungen gesucht für die Abgänge drei der besten Akteure, kam nun noch die Covid-19-Componente hinzu.
Hatte man Anfang Saison nach den drei Siegen ohne Gegentor das Gefühl, das Hauptproblem sei die offensive Ausbeute, hat die Abwehr die anfängliche Sicherheit ein wenig verloren, während im Angriff eher, wenn auch noch seltene Lichtblicke zu erkennen sind.
Man kommt zu Chancen. Aber die Schussqualität ist oft mangelhaft, auch die einst gefährlichen Standardsituationen beunruhigen den Gegner kaum noch. Die neue Aufstellung gab einigen aus dem grossen Kader Gelegenheit, sich gegen Lausanne ins Schaufenster zu stellen. Das sah im Einzelnen wie folgt aus: Immerhin noch sechs Stammspieler der vergangenen Saison, mit Zigi, Stergiou, Fazliji, Muheim, Quintillà und Ruiz, waren dabei. Zwei Leute in Joker-Funktion schon im Vizemeister-Team: Rufli und Ribeiro. Und drei Sommertransfers: Traore, Youan und Duah.
Trainer Zeidler fehlt es also nicht an Ausweichmöglichkeiten. Fragt sich nur, ob die Qualität reicht. Es war erschreckend, was die Mannschaft in der ersten Halbzeit bot. Ungewohnt vor allem: Es fehlte das Feuer und somit das Tempo, und dann missglücken ohne Rhythmus häufig auch die einfachen Zuspiele.
Natürlich, eine neue Aufstellung benötigt Zeit. Die Tore von Boris Babic und Kwadwo Duah erinnerten in Entstehung und Abschluss dann wieder an die vergangene Saison – nicht zuletzt das zweite mit dem langen Querpass von Zivildienstler Tim Staubli an den nahen Pfosten. Duah taucht nun plötzlich mit drei Toren und einem Assist auf Platz zwei der Super League Torschützenliste auf, hinter dem Basler Arthur Cabral, vier Tore. Duah profitiert auf der Liste von soccerway.com allerdings von einer höheren Spielzahl.
Dass es in dieser Saison noch keine herausragenden Torschützen gibt, ermöglicht die Überleitung zu einem anderen Thema: Was machen eigentlich die Super-League-Teams daraus, wenn sie keine Zuschauer mehr im Stadion begrüssen dürfen? Belohnen sie ihre Anhänger vor den TV-Apparaten wenigstens mit schwungvollem Fussball? Leider nein.
Taktik ist Trumpf, und Taktik ist leider, wie schon Trainer Felix Magath (Deutscher Meister mit Wolfsburg), feststellte «etwas für schwache Mannschaften». Und so betrachtet hat es selbst in der kleinen Super-League einige schwache Mannschaften. Einige kommen aus einer Krise, sind wie Luzern, Sion oder Zürich bemüht irgendwie Anschluss zu finden. Dann fallen meistens die Worte: «kompakte Spielweise, gute Organisation».
Es sind die Eigenschaften, die einem schon beim Lesen, geschweige denn Zusehen, die Füsse einschlafen lassen. Der Trend lässt sich mühelos an der Torquote und zahlreichen Unentschieden (diesmal vier, einmal sogar endeten alle fünf Spiele der Runde ohne Sieger) ablesen. 2,5 Tore pro Spiel lautet sie.
Hier lobe ich mir wieder einmal die ideale Vergleichsliga, die österreichische Bundesliga. Da fallen 3,5 Tore pro Match. Geübt im Beobachten von Corona-Statistiken, kann ich das schön hochrechnen: Bei unserem westlichen Nachbarn fallen in 100 Meisterschaftsspielen 350 Tore, in der Schweiz lediglich 250.
Die unterschiedliche Mentalität ist rasch sichtbar, wenn man sich mal auf Sky CH Spiele ansieht: Von Altach bis Wolfsberg wird erfrischend Fussball gespielt statt taktiert. Ligaprimus RB Salzburg hat mehrere Nachfolger gefunden, die man hierzulande vergeblich sucht. Nachfolger des FC St.Gallen sind hier gemeint.
Doch, zwei habe ich am Samstagabend gesehen. Was die Young Boys und der FC Basel zeigten, ging genau in diese Richtung. Der Ex-Meister vom Rheinknie brachte die Berner in der ersten Halbzeit in eine Verlegenheit, wie sie es zu Hause schon lange nicht mehr erlebt haben dürften, wahrscheinlich nicht mehr seit dem Auftritt St.Gallens vor einem Jahr im vollgepackten Wankdorf. Aber die Berner reagierten nach der Pause mit ihrem ebenfalls neuen Pressing-Fussball standesgemäss, während den Baslern die Puste allmählich ausging.
Young Boys und Basel werden die Ausnahmen bleiben, jene Teams, die sich aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten Teilnahme an der Champions oder Europa League ausrechnen könnten. Die andern werden im besten Fall in der Uefa Conference League engagiert sein, jener neuen Liga, die dann Testspiele auf internationaler Ebene ermöglichen. Eine Art drittklassige Beschäftigungstherapie für Vereine, die nicht in den beiden Hauptkonkurrenzen Unterschlupf finden.
Auch hier wieder lohnt sich der Blick nach Österreich. Der mutige Fussball hat schon diese Saison vier Vertreter in der Gruppenhase beschert: RB Salzburg (CL), Rapid Wien, Linzer ASK und Wolfsberger AC (EL), wo alle keine schlechte Figur abgeben. Die Super League hingegen ist weit unten gelandet. Das ist kein Zufall, kein Pech, das ist das wahre Abbild.