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So rasch kann sich im Fussball der Gesichtspunkt ändern. Vor dem Match gegen Luzern wurde festgehalten: Nur einmal in neun Spielen hat St.Gallen gewonnen. Und jetzt heisst es: Drei Spiele nicht mehr verloren, und schon richtet sich der Blick wieder nach oben. Berechtigt?
Die Teilnehmer am Wiener Marathon kennen das Lusthaus am südöstlichen Ende der Praterallee. Es ist der Wendepunkt deutlich nach der Hälfte der 42,2 Kilometer langen Laufstrecke. Sie rennen im Schwung um das Traditionshaus aus dem 16. Jahrhundert und streben danach frisch motiviert dem Ziel entgegen. Beim FC St.Gallen stellt sich nach dem Sieg vom Mittwochabend männiglich die Frage, ob auch die Grün-Weissen die Kehrtwende geschafft haben und nun voller Lust dem allerdings noch etwas weiter entfernten Saisonende entgegen joggen. Einiges spricht dafür, einiges dagegen.
Damit ich nicht allzu sehr ins Schwärmen gerate...
In der Summe: Durch die grün-weisse Brille überwiegt der Optimismus. Das darf auch sein, so wie beim Marathonläufer in der Lusthaus-Schleife. Das Ziel befand sich auf dem Heldenplatz. Lusthaus und Heldenplatz, vielleicht beflügelt solche Vorstellung auch die St.Galler Spieler auf den letzten 16 Kilometern, in den letzten 16 Spielen. Nächste Kilometermarke: Vaduz.
Das zweite grosse Thema in dieser Woche beim FC St.Gallen: Er befindet sich wegen Corona in finanziell schwieriger Lage. Damit ergeht es ihm ähnlich wie allen anderen Vereinen, auch wenn das Polster durch die Rekordeinnahme bei den Abonnements im vergangenen Sommer etwas dicker sein dürfte. Aber die Verantwortlichen sind nicht zu beneiden um ihre Aufgabe. Die Darlegung in den Medien und bei allen Dauerkarten-Besitzern per Briefpost war einleuchtend, wenn auch in den Details etwas kompliziert. Aber die Pandemie ist kompliziert, und der finanzielle Stress wird durch den sportlichen Stress nicht herabgemindert.
Das wäre zu vermeiden gewesen, indem die Liga ohne Absteiger auf nächste Saison aufgestockt worden wäre. Doch diese Gelegenheit wurde am Ende des vergangenen Jahres still und leise verworfen. Wieder einmal steht der TV-Vertrag in der Quere, der irgendwann in diesen Wochen und Monaten in den Details neu ausgehandelt wird. Auf eines hat man sich allerdings mit Swisscom-Blue Sport (ehemals Teleclub) bereits geeinigt: Der Klumpfuss Zehnerliga soll uns weitere vier Jahre erhalten bleiben. Wegen des Virus, das wahrscheinlich eher vor als nach Ablauf dieser Frist besiegt sein wird, verzichten die Vereine auf die überfällige, auch anhand einer Studie und von den Vereinen mehrheitlich schon gutgeheissene Modus-Anpassung und glaubt, wenigstens im Rahmen der bisherigen Entschädigung von 35 Millionen Franken abschliessen zu können. Das schaffe Planungssicherheit, heisst es bei der Swiss Football League. Ob dem wirklich so ist, da aktuell noch mindestens acht Vereine der Super League starker bis mittlerer Abstiegsgefahr ausgesetzt sind? Existentieller Stress ist im Fussball meistens kostspielig und erst recht, wenn der Abstieg Tatsache wird.
Der FC St.Gallen ist in den vergangenen Wochen von den Schiedsrichtern und dem VAR eher benachteiligt als bevorteilt worden. So kommt es nur ausreichender Gerechtigkeit gleich, wenn er gegen Luzern vielleicht auch einmal begünstigt worden ist. Der Penalty, der zum Ausgleich der St.Galler führte, war unstrittig. Aber die rote Karte? Ich bin mir fast sicher, dass vor ungefähr zwei Jahren die sogenannte doppelte Bestrafung, also Penalty und rote Karte, abgeschafft worden ist. Die rote Karte bei Notbremse sei nur in einer Spielszene ausserhalb des Strafraums noch angemessen, innerhalb des Strafraums nur dann, wenn das Foul selber die rote Karte (also sackgrobes Foul oder Tätlichkeit) nach sich gezogen hätte. Das Vergehen des Luzerner Verteidigers gehörte bestimmt nicht dazu. (th)