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FC St.Gallen
Die Kälte war Dauerthema. Beim FC St. Gallen ist sie längst kein Grund, die Arbeit ruhen zu lassen. Der Tabellendritte passt sein Programm den arktischen Temperaturen zwar an, doch Schonung gibt es nicht. Dafür Gedanken an Europa.
Christian Brägger
Nach einem Sieg kommt man leichter durch die Woche. Gar im Flug vergeht die Zeit mit einer Erfolgsserie im Rücken. Die heitere Gefühlslage, die ein dritter Tabellenrang auslöst, ist zusätzlich ein Beschleuniger. Bestes Beispiel: der FC St. Gallen. Die Tage ziehen schnell vorbei, unversehens ist es wieder Mitte der Woche – und der Trainingsalltag kehrt zurück. Auch bei den Ostschweizern, wie der Augenschein zeigt.
Am Morgen sind im Stadion Übungseinheiten an den Kraftgeräten angesagt, Trainer Giorgio Contini passt für die Spieler das Programm den frostigen Umständen an. Am Nachmittag aber gibt’s ab 15.30 Uhr kein Pardon. Sie müssen raus – man möchte nicht mit ihnen tauschen. Auf dem Kunstrasen des Gründenmoos frotzelt die eiskalte Polarluft so sehr, dass sich die 21 Profis auf verlorenem Posten wähnen müssten bei tatsächlich minus fünf und gefühlt minus vierzehn Grad. Doch so ist es nicht. Andreas Wittwer und Roman Buess geben sich eisern, in kurzen Hosen halten sie dagegen. Silvan Hefti widersetzt sich ebenfalls, nicht wie am Sonntag gegen Lugano in einem kurzen Leibchen, diesmal fehlen die Handschuhe. Wie geht das nur, Roman Buess, Silvan Hefti, Andreas Wittwer?
Später sagt Wittwer, zuletzt gegen Basel und Lugano überzeugend auf der linken Aussenbahn, aber ohne Vertrag über die Saison hinaus: «So kalt ist es nicht, mir ist gar einigermassen warm. Ich will einfach nicht in langen Hosen trainieren, das ist nicht mein Ding.»
Eher überraschend haben sich trotz Kältewelle einige Zaungäste an den Platz verirrt, etwa 15 an der Zahl, darunter Sportchef Alain Sutter und Präsident Matthias Hüppi. Sutter ist dick eingehüllt in seine Winterjacke, von Hüppi lässt sich das nicht behaupten, fast fahrlässig sieht es bei ihm aus. Es muss sich um einen Spontanbesuch handeln, die Lackschuhe mit relativ dünner Sohle und der nicht wirklich wintertaugliche Trenchcoat suggerieren dies. Hüppi aber sagt: «Ach was, ich bin kälteresistent als ehemaliger, langjähriger Begleiter des Skizirkus.» Gewiss seien es derzeit erschwerte Bedingungen, man müsse nun halt sinnvoll trainieren, «doch die Mannschaft ist ja in guten Händen. Umso schöner ist es doch gewesen, dass am Sonntag über 10000 Zuschauer gekommen sind.»
Hüppi und Sutter haben entweder gesehen, was sie sehen wollen, oder zollen der Kälte Tribut. Jedenfalls schreiten sie bald einmal von dannen. Gedanklich ist Hüppi sowieso woanders, bei der Europa League, unangemeldet stellt er die Frage. «Erreicht der Dritte direkt die Gruppenphase, wenn YB das Double holt? Das war doch damals bei Lugano der Fall.» So ist er, der Präsident, Feuer und Flamme für sein grosses Ziel, da kann ihm auch die ärgste Kälte nichts anhaben. Hüppi liegt richtig, als Dritter wäre St. Gallen tatsächlich für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Dafür müssen die Young Boys jedoch Cupsieger werden und die Saison mindestens als Zweiter beenden. Beides scheint möglich.
Mit Dingen, die im Sommer eintreten können, beschäftigt sich Contini nicht. Er steht auf dem Platz, lässt eine Stunde lang intensiv mit dem Ball trainieren, es gibt ein Spiel zehn gegen zehn. Die Trinkpausen hält der Coach kurz, und er verzichtet auf Analysen: «Man muss sich schon ein wenig den Temperaturen anpassen. Standards zum Beispiel sind nicht sinnvoll.» Contini hadert nicht mit den Minusgraden, er, der Italiener, verschwendet keine Gedanken an die Sonne der Heimat. «Am Freitag wird es ja wieder wärmer, und damit wieder angenehmer», sagt er. Dannzumal dürften seine Weisungen wieder länger dauern, und Korrekturen wird er wieder auf dem Platz anbringen.
Um 16.30 Uhr endet die Trainingseinheit, statt Auslaufen auf dem Platz müssen die Spieler im Bauch des Stadions noch zehn Minuten lang aufs Rad. Aktive Erholung nennt man das. Gemeinsam verlassen die 21 Spieler das Trainingsgelände als Einheit, es ist etwas, worauf Contini schon in Vaduz viel Wert gelegt hat. Nicolas Lüchinger nennt die Bedingungen mit dem Wetter noch eine «reine Kopfsache», er ist gut gelaunt. Boris Babic sagt, «wir sind ja gut geschützt, alles kein Problem». In der Tat sind Thermokleidung, Stirnband, Mütze oder Schlauchschal beliebte Begleiter der Profis – und eben, Gedanken an den Sommer weit weg.