Luganos Fabio Daprelà hat Cedric Itten vor einem Jahr zum aktuellen Höhenflug gefoult. Das ist eine steile These – aber eine, die gar nicht so weit hergeholt ist.
Der Erfolg des FC St.Gallen hat viele Namen. Einer sticht aber heraus. Cedric Itten hat nach seinen drei Toren im Nationalteam beim 4:1 gegen Xamax gleich wieder für sein Team getroffen, zum siebten Mal in dieser Saison. Der Höhenflug lässt auch Ittens Medienpräsenz in die Höhe schnellen. Da liest man nun, dass der 22-Jährige die Nationalhymne auswendig kann. Dass er seiner Freundin vor Spielen kaum noch im Haushalt hilft und dass er die 13 als Rückennummer ausgewählt hat, da er seit dem 1.3.2013 mit seiner Freundin zusammen ist.
Da war aber eine Textstelle zu Itten, die überraschte. «Blick»-Kolumnist Kubilay Türkyilmaz findet, dass Itten nach dem Kreuzbandriss athletischer geworden ist. Tatsächlich? Ein Kreuzbandriss als Heilsbringer? Hat Luganos Fabio Daprelà vor einem Jahr Itten zum aktuellen Höhenflug gefoult?
Es ist eine steile Behauptung, weil man weiss, dass Kreuzbandrisse ganze Karrieren zunichte machen können – und viele Spieler ihre Form nie mehr finden. Und weil Itten in den Spielen vor dem Kreuzbandriss im September 2018 ebenfalls sehr agil wirkte und gar eine höhere Torquote hatte als in dieser Saison.
Dennoch: Simon Storm, Leiter Athletik und Physiotherapie bei den St.Gallern, findet die These nicht abwegig. Er sagt:
«Spieler kommen oft gestärkt zurück aus einer Verletzung. In einer langen Rehaphase lernen viele Spieler ihren Körper noch einmal besser kennen. Das Bewegungsgefühl wird in dieser Zeit oft besser – so war es auch bei Itten.»
Ein vorsichtiger Kraftaufbau habe ihn auch im Oberkörper athletischer gemacht. Dennoch sagt Storm, dass Itten erst seit kurzem wieder auf dem Niveau von vor der Verletzung angekommen ist.
«Ich hatte in meiner Karriere noch nie so viel Zeit, an meinem Körper zu arbeiten», sagt Itten selbst. Da habe eine Verletzung, nebst vielen Entbehrungen, auch sein Gutes. Trainer Peter Zeidler erwähnt, dass im Meisterschaftsbetrieb, wenn Taktisches den Trainingsalltag bestimmt, das Athletische oft zu kurz komme. Itten und auch Alain Wiss, der zweite Rückkehrer nach einem Kreuzbandriss, seien intelligente Spieler, welche die Zeit genutzt hätten. Bei Wiss ist die verbesserte Athletik noch offensichtlicher, findet der Trainer.
Lob für Wiss gibt es auch von Storm. Eine «Vorzeige-Reha» habe er hinter sich. Wiss griff nach 202 Tagen wieder ins Spielgeschehen ein, Itten nach 231 Tagen. Der Verlauf bei Itten und Wiss sei nicht der Regelfall, sagt Storm.
«Viele Spieler kehren nie mehr richtig zurück.»
Und: Natürlich hätte ein fitter Itten St.Gallen auch in der vergangenen Saison gut getan.
Doch was läuft beim dritten Kreuzbandgeplagten Musah Nuhu? Bei ihm sind es inzwischen 172 Verletzungstage, seine Rückkehr wird erst im Frühling erwartet, so Storm. Doch auch bei ihm sei die Hoffnung auf eine starke Rückkehr intakt.
Einen Schreckmoment gab es am Sonntag bei Verteidiger Yannis Letard. Der Torschütze zum 1:0 musste kurz vor Spielende mit einer Knieverletzung ausgewechselt werden. Der Club gibt Entwarnung: Das Knie blieb ganz, die Verletzung sei «nicht schlimmerer Natur».