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Der FC St.Gallen hat seinen Anhängern eine unglaubliche Saison geboten. Was mit einer Niederlage und gar etwas Abstiegsangst begann, endete in Euphorie und dem Vizemeistertitel. Ein Blick zurück auf die schönsten Geschichten der Saison.
Inhaltsverzeichnis
Der FC St.Gallen verliert in der Sommerpause Leistungsträger wie Tranquillo Barnetta, Vincent Sierro, Majeed Ashimeru oder Andreas Wittwer. Zudem geht Urgestein Daniel Lopar nach Australien. Dafür kommen Spieler wie Yannis Letard, Lukas Görtler sowie Goalie Jonathan Klinsmann und wenig später auf Leihbasis Ermedin Demirovic. Es folgt das Bekenntnis der Clubverantwortlichen, auch auf die eigenen jungen Spieler zu setzen. Keiner weiss, wozu dieses neu zusammengesetzte und junge Team fähig sein wird.
Der Stand wenige Tage vor dem Saisonstart
Nach der unglücklichen Startniederlage gegen Luzern setzt St.Gallen auswärts gegen Basel ein Ausrufezeichen: Die Ostschweizer gewinnen dank zweier Tore des früheren Basel-Spielers Cedric Itten 2:1:
Danach aber wird es schwieriger. Die Auswärtsniederlage beim FC Zürich ist ein Tiefpunkt, aber nicht der einzige.
Das Cup-Aus beim Challenge-League-Team des FC Winterthur ist die grösste St.Galler Enttäuschung der Vorrunde. Die Ostschweizer verlieren bereits in der ersten Halbzeit Cup-Goalie Jonathan Klinsmann durch einen Platzverweis:
Kurz nach der Pause geraten die Gäste auf der Schützenwiese in Rückstand. In der Folge können sie nicht mehr entscheidend reagieren. In der Nachspielzeit erhöhen die Winterthurer gar auf 2:0.
Manch einer prophezeit dem Team, auch mit der ungenügenden Leistung beim FC Zürich im Hinterkopf, eine schwierige Saison. Doch danach wird alles anders.
Nach dem Cupspiel in Winterthur explodiert das Team und begeistert die Anhänger. In elf Spielen gewinnt es 28 Punkte. Nur den Young Boys gelingt es in dieser Zeitspanne, St.Gallen zu besiegen, Basel holt sich im Kybunpark in einem spektakulären Spiel, das allerdings 0:0 endet, einen Punkt.
Jordi Quintillà und Victor Ruiz bilden ein spielstarkes Duo, Lukas Görtler wird von Trainer Peter Zeidler als «Königstransfer» bezeichnet. Zudem treffen Cedric Itten, Boris Babic und Ermedin Demirovic in beeindruckender Regelmässigkeit. Junge Spieler wie Leonidas Stergiou, Yannis Letard, Silvan Hefti oder Miro Muheim entwickeln sich zu Leistungsträgern.
Dank ihrer Jugendlichkeit ist die Mannschaft in der Lage, das körperlich anspruchsvolle Pressingspiel über Wochen durchzuziehen.
Lukas Görtler über die Jugendlichkeit des FC St.Gallen:
«Ich habe so etwas zuvor auch noch nie gesehen. Wir spielen mit einer Viererkette, die im Durchschnitt 20-jährig ist. Dabei wird immer gesagt, in einer Viererkette brauche es Routiniers. Es ist schon erstaunlich, dass wir kaum in Löcher fallen.»
Der Toggenburger gehört in der Super League zu den Senkrechtstarten. Noch im Dezember 2018 spielt Leonidas Stergiou in St.Gallens Nachwuchs. Wenige Wochen später debütiert er – als 16-jähriger. Unterdessen ist der Innenverteidiger ein unverzichtbarer Stammspieler.
Der 1,80 m grosse Stergiou ist schnell, wirkt abgeklärt und strahlt Ruhe aus. Bruno Berner, der Experte beim Schweizer Fernsehen, sagt über ihn:
«Für mich ist er die Entdeckung der Saison. Es ist bemerkenswert, wie er das hinten stabil hält.»
Die Begegnung zwischen den Young Boys und St.Gallen im November ist wohl eines der besten Super-League-Spiele der jüngeren Vergangenheit: 28'645 Zuschauer bekommen ein Spektakel der Sonderklasse zu sehen. Die Gäste gehen 1:0 und 2:1 in Führung, gleichen zum 3:3 aus und kassieren schliesslich noch das 3:4.
St.Gallens Leistung wird national mit viel Bewunderung aufgenommen. Der «Bund» schreibt von einem Team, «das vor Energie sprüht», und von einem Spitzenspiel mit «Klasse, Offensivgeist und viel, viel Tempo». Die NZZ titelt: «Danke, liebe Ostschweizer»:
Das musste mal gesagt sein. pic.twitter.com/m7zuhBs6gU
— Christof Krapf (@ChKrapf) November 11, 2019
Der Dank geht an St.Gallen, weil es der Liga einen Dreikampf und Offensivspektakel schenke. Und weil jene, «die die in der Vergangenheit einbetonierte Super League verkaufen müssen, freudig und inbrünstig im Chor anstimmen: danke, St.Gallen.»
Für das letzte Spiel vor der Coronapause hiess der Gegner wiederum YB. Und das Spiel sollte der ersten Partie in Sachen Toren, Spektakel und Drama in keiner Weise nachstehen.
Im heimischen Kybunpark gehen die St.Galler in der 10. Minute durch Sieggarant Betim Fazliji in Führung. Jean-Piere Nsame und Nicolas Ngamaleu können für den Meister das Spiel aber noch vor der Pause drehen. Nach einem Eigentor von Jordan Lefort zum 2:2-Ausgleich beginnt die eigentliche Dramatik im Spitzenspiel. In der ersten Minute der Nachspielzeit ist es Lukas Görtler, welcher den FCSG zum vermeintlichen Sieg schiesst.
YB erhält wegen eines Handspiels von Miro Muheim in der Nachspielzeit der Nachspielzeit und nach einer VAR-Konsultation einen Penalty zugesprochen. FCSG-Goalie Lawrence Ati Zigi pariert, der Jubel ist grenzenlos – und kurz. Denn Schiedsrichter Alain Bieri lässt den Penalty wiederholen. Zigi habe sich – angeblich – zu früh von der Torlinie weg bewegt. Dies entscheidet zumindest Bieri. Im zweiten Anlauf trifft Guillaume Hoarau, notabene in der 99. Minute, zum 3:3 Endstand.
Betim Fazliji hat seit dem Sommer beim FC St.Gallen einen steilen Aufstieg erlebt. Ihn hatten da noch die wenigsten auf der Rechnung. Von Leonidas Stergiou oder Angelo Campos sprachen die einen, die anderen von Alessandro Kräuchi oder Boris Babic. Aber von «Beto», wie Freunde und Familie ihn nennen, war wenig die Rede. Doch bereits zu Beginn der Saison erkannten einige in seinem Umfeld sein Potenzial. Sein damaliger Mitspieler Alain Wiss sagte vergangenes Jahr in einer kleinen Runde:
«Der Fazliji hat das grösste Potenzial der Jungen. Ihm traue ich am meisten zu.»
Und so sollte es kommen. Der FC St.Gallen hat diese Saison 63 Punkte geholt, wenn Fazliji zum Einsatz kam. Ohne den 21-Jährigen sind es gerade mal deren fünf.
Das 4:1 zu Hause gegen den FC Luzern war wohl eines der besten Spiele des FC St.Gallen in jüngster Zeit. Die Espen liessen den Innerschweizern nicht den Hauch einer Chance. Zur Pause stand es bereits 3:0 für das Heimteam. Nach dem Spiel meinte FCSG-Coach Peter Zeidler im bekannter bescheidener Manier, dass sein Team «phasenweise sehr guten Fussball gezeigt hat». Um anzufügen:
«Schade, können derzeit fast keine Zuschauer im Stadion sein. Bei Abenden wie heute ist das besonders bedauerlich.»
Hätten die Espen in jedem Spiel so gespielt wie an diesem Abend, der Meistertitel wäre wohl nur eine Frage der Zeit gewesen. Es gab jedoch auch das Gegenteil auf dem Leistungsspektrum. Beispielhaft ist die 0:4-Niederlage gegen den FC Zürich. Als nach der ersten Druckphase der St.Galler kein Treffer gelang, brachen sie nach dem Gegentor regelrecht zusammen.
Höchster Heimsieg der Saison, erster Hattrick Cedric Ittens und dennoch kein Jubeltag. In der zweitletzten Runde der Saison zieht der FC St.Gallen einen Sahnetag ein. Bereits nach 33. Minuten steht es bereits 4:0. Cedric Itten erzielt seinen ersten Hattrick in der höchsten Schweizer Spielklasse. Ermedin Demirovic erzielt in seiner Dernière im Kybunpark seinen
14. Saisontreffer. Und auch der dritte im Sturmbunde, Jérémy Guillemenot, trägt sich mit zwei Treffern auf der Anzeigetafel ein.
Trotz des Husarenstücks fällt der Jubel nach dem Schlusspfiff verhalten aus. Weil die Berner Young Boys gleichzeitig in Sitten mit 1:0 gewinnen, dürfen sie sich zum dritten Mal in Folge Schweizer Meister nennen.