FC ST.GALLEN: Denken und spielen

Roy Gelmi ist aus dem Gefüge des FC St.Gallen nicht mehr wegzudenken, der 22-Jährige stand zuletzt 13-mal in Folge in der Startformation. Der Aufschwung des Studenten ist eng mit jenem des Clubs verbunden.

Christian Brägger
Drucken
Der holländisch-schweizerische Doppelbürger Roy Gelmi trägt bei St. Gallen die Rückennummer 14 – wie einst sein berühmter Landsmann Johan Cruyff. (Bild: Marc Schumacher/Freshfocus (Thun, 19. März 2017))

Der holländisch-schweizerische Doppelbürger Roy Gelmi trägt bei St. Gallen die Rückennummer 14 – wie einst sein berühmter Landsmann Johan Cruyff. (Bild: Marc Schumacher/Freshfocus (Thun, 19. März 2017))

Christian Brägger

Als zwölfjähriger Tennisspieler wurde Roy Gelmi mit den Junioren Schweizer Meister im Interclub. Auf seinem Körper gibt es bis heute keine Tattoos. Er hat die Matura an der Kantonsschule Burggraben in St.Gallen absolviert, derzeit studiert er Wirtschaft an der Fernuniversität Schweiz. Hätte es mit dem Fussball nicht geklappt, wäre er nun vermutlich Medizinstudent in Zürich. Auch belesen ist der jüngste Spross einer fünfköpfigen Familie, die sich dem Sport verschrieben hat. Biografien haben es dem 22-Jährigen angetan, sie halten als Anschauungsunterricht für das eigene Leben her. Der wortgewandte Gelmi will nicht nur seiner Ausbildung wegen so gar nicht ins Bild des Fussballprofis passen, dabei ist er das doch gerade: ein Fussballprofi.

Gelmi ist selbstbewusster, als er wirkt, vor allem ist er jemand, der weiss, wovon er spricht, weil er sich und das Business reflektiert. «Ich würde eigentlich gerne öfters meine Meinung sagen. Weil ich eben viele Dinge nicht wie andere Spieler einfach hinnehme.» Gelmi sagt, er habe gelernt, dass es ein Nachteil sein kann, wenn man sich zu oft hinterfrage. «Ich mache mir wohl zu viele Gedanken. Es ist besser, wenn man die Dinge akzeptiert, wie sie sind», sagt er.

Wunschdestination Bundesliga

Wegen seines denkenden Wesens nun Gelmi fussballerisch zu übersehen, wäre komplett falsch. Zumal die fast seit einem halben Jahr konstant guten Leistungen auch ausländischen Clubs nicht verborgen bleiben, es heisst, Vereine aus der Serie A lassen ihn ­beobachten. Dabei wäre seine Wunschdestination die Bundesliga oder vielleicht auch Holland, die Heimat der Mutter, selbst wenn ihm die kriselnden «Oranjes» derzeit wenig Freude bereiten. Gelmi sagt: «Das Ausland ist mein absoluter Traum. Doch das hat noch Zeit.» Vorerst hat er beim FC St.Gallen noch einen Kontrakt bis Sommer 2018, inklusive einer Option.

Gelmi reifte im Sommer 2015 während der Saisonvorbereitung vom Nachwuchs- zum Stammspieler, kurzzeitig war er sogar Captain, der Fussball meinte es gut mit ihm. Doch dann folgte das Jahr 2016, es war geprägt von Rückschlägen, von Spielen, in denen Gelmi auf der Ersatzbank schmorte. Zu jener Zeit hätte wohl kaum jemand darauf gewettet, dass der Bassersdorfer, der immer schon ein Innenverteidiger war, irgendwann als Sechser die Geschicke der St.Galler Mannschaft lenken würde. Genau dies geschieht seit dem vergangenen November, und so sind durchaus Parallelen in seinem und im Spiel des FC St.Gallen erkennbar: Mit beiden geht es seither aufwärts, und kein Mensch weiss, wohin das alles noch führen kann. Gelmi, der seine Polyvalenz als Vorteil sieht, sagt: «Die neue Position gefällt mir gut. Die Automatismen greifen immer mehr. Mir ist es letztlich egal, wo der Trainer mich bringt.» Es laufe im Moment dem ganzen Team gut, und so rücke der Einzelne in ein besseres Licht. Auch er.

Haggui ist Gelmis Zimmerkollege

Viel zu reden gab im Februar jene Szene bei den Young Boys, als Karim Haggui nach einem Pfiff des Schiedsrichters den Ball nach Gelmi warf. «Die Leute sahen das zu dramatisch. Wir verstehen uns gut. Wir sind sogar Zimmerkollegen.» Weil Gelmis Spiel weniger auffällt, gab es schon Stimmen, die ihn als Unterschätzten bezeichneten. Gelmi sagt: «Ich löse viele Situationen mit dem ­Stellungsspiel, mit dem Auge, taktisch aus dem Hintergrund.» Aber eigentlich sei es doch ein gutes Signal, wenn das Publikum bei jenem Spieler, der vom eigenen Nachwuchs kommt, kritischer wird. «Die Erwartungen an mich sind gestiegen. Das zeigt doch, dass ich bis jetzt Gutes geleistet habe.»