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Das St.Galler Fussballfest beim 3:3 gegen die Young Boys wurde vom Entscheid des Videoschiedsrichters zwar getrübt. Dennoch konkretisierten sich damals die Meisterambitionen des FC St.Gallen.
2:3, 3:4 und nun also ein 3:3. Die Spiele des FC St.Gallen gegen die Young Boys sind in dieser Saison nicht nur das Torreichste, sondern auch das Aufwühlendste, was der Schweizer Fussball zu bieten hat. Dies hat damit zu tun, dass die jungen St.Galler konstant offensiv und attraktiv spielen, aber auch damit, dass die Young Boys hervorragende Stürmer stellen – gleichzeitig aber eine nicht immer solide Abwehr. Am Sonntag im Spitzenkampf im St.Galler Tollhaus kam ein weiterer emotionaler Faktor dazu: der Videoschiedsrichter.
Er griff ein, als das hochstehende Spiel mit Goalie Lawrence Ati Zigi eigentlich seinen grossen Helden gefunden hatte. Nach dem späten 3:2 durch Lukas Görtler, das den Kybunpark aus den Angeln hob, trat Guillaume Hoarau in der 94. Minute für die Young Boys zu einem Handspenalty an – und scheiterte an Zigi, der sich in die rechte Ecke warf. Das St.Galler Publikum lag sich in den Armen, als der Bescheid aus dem Videoschiedsrichterraum in Volketswil kam: Zigi hatte bei Abgabe des Penaltys beide Füsse vor der Torlinie. Der Penalty musste wiederholt werden. Diesmal traf Hoarau zum Ausgleich.
Das Bittere: Auch der Penalty selbst, nach einem umstrittenen Handspiel von Miro Muheim, war erst nach Videoentscheid fällig geworden. So gingen am Ende die Emotionen hoch: Co-Trainer Ioannis Amanatidis erhielt nach Spielschluss eine rote Karte wegen Reklamierens und Sportchef Alain Sutter suchte aufgebracht das Gespräch mit dem Schiedsrichtergespann. Tatsächlich war es ein schwer verständlicher Entscheid. Aber streng genommen kein falscher. Im Stadion war man sich allerdings einig: Ähnliche Situationen gibt es bei Penaltys immer wieder, geahndet werden sie kaum einmal.
Interpretationsspielraum habe es für ihn nach der VAR-Intervention nicht gegeben, sagte Schiedsrichter Alain Bieri, auch wenn er bedauerte, dass am Ende vor allem jene Szene zum Schluss der hochstehenden Partie diskutiert wurde. Auch Zeidler versuchte an der Pressekonferenz, das Spiel an sich in den Fokus zu rücken – was ihm aber nicht so richtig gelingen wollte.
Dabei gab es genügend andere Geschichten an diesem Nachmittag im ausverkauften Stadion, die es zu erzählen lohnt. Da war die grandiose Kulisse, die Choreos der St.Galler und Berner Fans. Die Geste der St.Galler, die beim Einlaufen Shirts mit der Nummer 34 ihres verletzten Kollegen Boris Babic trugen. Dann aber vor allem das Zeidlersche Startfurioso, das die Berner in Nöte brachte, in der vierten Minute zu einem Pfostenschuss Cedric Ittens und in der zehnten Minute zum St.Galler Führungstor durch Betim Fazliji führte.
Da war aber auch jene Phase nach einer halben Stunde, in der das St.Galler Spiel nicht mehr wie gewünscht ineinandergriff. Vielleicht hatte es mit Yannis Letards Ausfall zu tun. Er zog sich nach gut 30 Minuten in einem Zweikampf eine Gehirnerschütterung zu und hatte auch nach dem Spiel noch Erinnerungslücken, wie Zeidler sagte. Die Berner konnten sich in der Folge immer besser aus der St.Galler Umklammerung lösen, die Klasse der Stürmer Jean-Pierre Nsame und Moumi Ngamaleu kam zum Tragen. Beide trafen noch kurz vor der Pause zum 2:1 für die Berner.
Als die St.Galler nach der Pause nicht auf Anhieb den Tritt fanden, schien das Spiel immer mehr auf die Seite der Young Boys zu kippen. Mit stilsicheren Vorstössen wurden sie einige Male gefährlich, dem Publikum schwante Böses. Doch dann kam die aus St.Galler Sicht bemerkenswerteste Phase. Beharrlich kämpften sie sich zurück – wie sie es in dieser Saison schon oft getan haben. Angetrieben von Silvan Hefti und Görtler auf der rechten Seite kam es zur erneuten Wende, auch weil die Berner sich plötzlich weit zurückzogen und passiv wirkten. Görtler war, mit der entscheidenden Hereingabe vor dem 2:2 und dem umjubelten 3:2 in der 91. Minute, der wichtigste Faktor im St.Galler Spiel.
Vorwerfen müssen sich die Ostschweizer, dass sie wie bereits beim 3:4 in Bern in der überlegenen Startviertelstunde nicht höher in Führung gegangen waren. Und dass sie vor der Pause nicht kompakt verteidigten. Doch St.Gallen bleibt an der Spitze der Tabelle. Was Zeidler noch mehr freut:
«Wir wollten zeigen, dass wir den Bernern nicht nur nähergekommen, sondern resultatmässig ebenbürtig sind. Das ist uns gelungen.»
Trotz der verlorenen zwei Punkte: St.Gallens Meisterambitionen haben sich am Sonntag weiter konkretisiert. Weil das Team den spielerischen Vorteilen der Berner etwas entgegenzusetzen hat und auf einen Dämpfer vor der Pause reagieren konnte. Nach dem Fussballfest gibt es keinen Grund, weshalb das St.Galler Stadion nicht auch in zwei Wochen wieder voll sein sollte. Dann gastiert Zürich im Kybunpark. Zunächst aber steht die Reise nach Sitten an.