Beim 4:1 gegen Neuenburg Xamax zeigt der FC St.Gallen, dass ihn auch hohe Erwartungen nicht aus der Ruhe bringen.
In den Gängen des St.Galler Stadions brauchen die Medienleute nach Spielen derzeit etwas mehr Geduld. Gewinnt der FC St.Gallen – und das tut er aktuell ja auffallend oft –, scheinen die Festivitäten auf dem Feld kaum ein Ende zu nehmen. Gestern, nach dem 4:1 gegen Neuenburg Xamax, sind die Standing Ovations im Publikum besonders lang und emotional. Unten im Spielertunnel zückt Präsident Matthias Hüppi mitten im Jubel-Trubel strahlend das Smartphone, um die Festtänze seiner Mannschaft festzuhalten – bevor er von Goalie Dejan Stojanovic kurz in die Höhe gestemmt wird.
Dann geben Cedric Itten und Co. Auskunft, und sie kommen zu ähnlichen Fazits: Die Stimmung im Team ist genauso gut wie jene auf der Tribüne, das Selbstvertrauen wächst und wächst mit jedem Sieg.
Das alles macht den Eindruck: Gewinnen ist derzeit für St.Gallen ganz einfach in dieser Super League. Letztmals verlor das Team im eigenen Stadion am 10. August, ein unglückliches 2:3 gegen die Young Boys war das damals.
Alles ganz einfach? Das war es natürlich nicht, sagt Trainer Peter Zeidler nach dem Spiel. Die zwei Wochen Pause nach der Niederlage in Bern seien mental schwierig gewesen. Dazu kommt der Erwartungsdruck. 14500 Zuschauer waren gestern gekommen, ein sehr guter Wert für ein Novemberspiel gegen Xamax, den Zweitletzten der Liga. Und es war klar, was alle erwarteten: ein Spektakel und einen Sieg. Es ist nicht selbstverständlich, dass das junge Team liefert, mit welcher Lockerheit es immer wieder ans Werk geht und die Erwartungshaltung im Publikum leicht wegsteckt – oder sich vielmehr davon beflügeln lässt.
Es gab im Spiel gegen die Neuenburger jedoch sehr wohl den einen oder anderen Moment, in dem Euphorie nicht angebracht war. In den Startminuten waren es die Romands, welche die besseren Chancen besassen. Die St.Galler waren nicht mit der gleichen Entschlossenheit ins Spiel gestartet wie noch vor zwei Wochen bei den Young Boys. Vielleicht hatte es mit der fehlenden Strahlkraft und der Ruhe von Jordi Quintillà zu tun, der gelbgesperrt auf der Tribüne sass. Vielmehr aber, so sah es Zeidler, waren die Neuenburger hervorragend auf das St.Galler Spiel eingestellt – «und wir hatten zunächst taktisch unsere Probleme». Raphaël Nuzzolo und Gaëtan Karlen, zwei der stärksten Offensivkräfte der Liga, brachten Unruhe in eine zunächst unorganisierte St.Galler Abwehr.
Aus dem Konzept bringen liessen sich die Ostschweizer aber nicht – was derzeit eine ihrer grossen Stärken zu sein scheint. Es wirkte unaufgeregt, wie sie mit viel Laufarbeit und taktischer Konsequenz im Pressing das Spieldiktat immer mehr übernahmen.
Untypisch war dann hingegen der Führungstreffer in der 28. Minute: Verteidiger Yannis Letard traf per Kopf nach einem Corner – etwas, das zuletzt meist eher St.Gallens Gegnern gelungen war. Das 2:0 von Cedric Itten, wenn auch einem missglückten Schussversuch von Victor Ruiz entspringend, war schliesslich das Resultat des Drucks, den die St.Galler nun immer mehr aufbauten.
Doch auch zu Beginn der zweiten Halbzeit gab es für die St.Galler eine schwierige Phase. Sie störten in den ersten Minuten etwas weniger hoch, waren etwas weniger präsent. Was prompt zum Anschlusstreffer nach einem Freistoss führte. Die Ostschweizer reagierten abermals stark, brachten wieder viel Druck ins Spiel – und belohnten sich mit dem Treffer des Abends. Boris Babic, der vor der Pause nur selten zu sehen gewesen war, lancierte nach einer Stunde seinen Sturmkollegen Ermedin Demirovic mit einem langen Ball in den Strafraum, sprintete nach vorne und verwandelte Demirovics Vorlage gleich selber aus 20 Metern souverän. St.Gallen drückte weiter, mit einem unermüdlichen Lukas Görtler, der per schnell ausgeführtem Einwurf Demirovics starke Einzelleistung zum 4:1 einleitete.
Etwas zu hoch sei das Resultat ausgefallen, befand Zeidler am Ende zwar, und er mochte aufgrund der ersten 20 Minuten recht haben. Xamax-Trainer Joël Magnin hingegen sprach von einem in dieser Höhe verdienten Sieg, weil man der Intensität der St.Galler schlicht nicht beigekommen sei.
Diese Intensität hat dem FC St.Gallen zuletzt 24 Tore und 22 Punkte in 9 Spielen eingebracht – und sie beschert ihm den Anschluss an die Spitze. Drei Meisterschaftsspiele fehlen in diesem Jahr noch. St.Gallen reist am kommenden Sonntag nach Luzern (Zeidler: «Wo wir jetzt endlich etwas holen wollen.»). Dann folgt das Auswärtsspiel in Thun und zum Abschluss am 14. Dezember das Heimspiel gegen Zürich. Der FC Basel und die Young Boys treffen am kommenden Sonntag aufeinander. Vielleicht die Chance für St.Gallen, noch näher an die Spitze zu rücken? Es wäre ganz einfach.