Trotz der 1:2-Heimniederlage gegen Aarau feiern im Anschluss einige hundert Anhänger die Rückkehr des FC St.Gallen in die Super League. Allerdings bleibt das Fest von Nebengeräuschen nicht verschont. Trainer Jeff Saibene muss sich im und vor dem Stadion Pfiffe anhören.
FUSSBALL. Die Plattform hinter der Westtribüne bebte. St. Gallens Spieler liessen sich von mehreren hundert Anhängern feiern. Ein Bierhumpen machte die Runde, der zuvor verabschiedete Simon Roduner heizte die Stimmung an. Besonders im Mittelpunkt standen Akteure, die den Club verlassen werden. Man sang. Man jubelte. Man liess alle und (fast) jeden hochleben. Die Niederlage gegen Aarau, kassiert just vor dem Schlusspfiff, tat der Stimmung keinen Abbruch. Noch im Stadion hatten St. Gallens Spieler und ihre Betreuer den Pokal und die Medaillen für den Challenge-League-Meister durch Ligapräsident Heinrich Schifferle und Claudius Schäfer, den CEO der Swiss Football League, überreicht bekommen. Es regnete grün-weisse Papierstreifen auf den Rasen, eine Mehrheit des Publikums applaudierte. St. Gallen gehört wieder der Super League an.
Möglicherweise wären bei einem Sieg mehr Leute im Stadion geblieben und hätte sich im Anschluss weniger Skurriles ereignet. Einen schalen Beigeschmack hinterlassen vor allem die Pfiffe, welche die Mannschaft durch die gesamte Saison begleitet hatten und vor denen sie ein Teil des Publikums selbst nach dem Aufstieg und bei der Ehrenrunde nicht verschonte. Bei allen kritischen Fragen, die sich die Verantwortlichen in der Saisonanalyse stellen müssen: Pfiffe während einer Aufstiegsfeier lösen Beklemmung aus. Den Missmut bekam vor allem Trainer Jeff Saibene zu spüren. Dabei hatte sich der Luxemburger beim Versuch, der Bierdusche von Pa Modou Jagne noch zu entkommen, am Oberschenkel verletzt. Saibene stürzte und an der Medienkonferenz sagte er: «Dieser Muskelfaserriss schmerzt mich aktuell mehr als die Pfiffe.» Im Moment mache er sich keine Gedanken. «Die einen sind positiv, die anderen negativ», so Saibene. Der Unmut der Anhänger legte sich bei der anschliessenden Feier auf der Plattform erst dank eines geschickt geführten Interviews und als Saibene einem Capo aus dem Espenblock die Aufstiegsmedaille überreichte. Besonders gefeiert wurden Torhüter Germano Vailati und Alberto Regazzoni. Möglicherweise drückten die Pfiffe Unverständnis gegenüber den Entscheidungen aus, Regazzoni zu suspendieren und Vailatis Vertrag nicht zu verlängern. Nur so ist auch zu erklären, weshalb Daniel Lopar bei der Ehrung ebenfalls Pfiffe zu hören bekam. Denn der 27jährige Romanshorner hat eine konstante Saison abgeliefert, während der er seiner Mannschaft doch den einen oder anderen Punkt festhielt.
Eine Woche zuvor hatte St. Gallen in Locarno den Wiederaufstieg perfekt gemacht. Bei frühlingshaften Bedingungen kamen zum Heimspiel gegen Aarau 13 140 Zuschauer. Auch der Gästesektor war wieder einmal gut besetzt. Für St. Gallen war die Mission Wiederaufstieg lange ein harter Kampf gewesen, mit Hochs und Tiefs. Die Partie gegen die Aargauer wurde nicht zum Schaulaufen, vielmehr war sie ein Spiegelbild der Saison. Nur wirkten die Ostschweizer befreiter. Trotz einiger Änderungen – Saibene liess all jene Akteure spielen, welche den Club verlassen – gelang den St. Gallern eine gute erste Halbzeit. Die Führung erzielte der starke Gambier Jagne in der 23. Minute, nachdem Aaraus Torhüter Joël Mall einen Corner Oscar Scariones nicht unter Kontrolle hatte bringen können.
St. Gallens Führung war verdient, vor dem 1:0 hatte Scarione einen Freistoss an die Latte gesetzt. Aarau kam nicht richtig in die Gänge, St. Gallen hatte den Gegner im Griff. Nur unterlief nach 69 Minuten auch Vailati ein Fehler, als er einen Corner nicht richtig abwehren konnte und der Ball via Pfosten zum 1:1 ins Tor ging. In der Folge liess sich St. Gallen, wie schon so oft in den vergangenen Spielen, zurückdrängen. Hinzu kam, dass es dem Aufsteiger trotz Auftritt im neuen Trikot nicht gelang, Konter sauber und gefährlich zu fahren. St. Gallen wirkte wieder ängstlich, die Quittung folgte in der 95. Minute, als Remo Staubli eine Unordnung in St. Gallens Abwehr freistehend zum 2:1 für Aarau nutzte.
Es war für St. Gallen die zweite Heimniederlage der Saison. «Wir hätten den Sack früh zumachen können», sagte Saibene. Doch über diese Niederlage spreche wohl bald niemand mehr. Am kommenden Mittwoch beendet St. Gallen die Saison mit dem Spiel in Vaduz. Danach sind zweieinhalb Wochen Ferien angesagt. Es war Saibene anzusehen, dass er sich auf die Pause freut: «Die vergangenen Wochen haben doch Substanz gekostet.»