Die erste Mondlandung stand noch bevor: Vor 50 Jahren holte der FC St.Gallen zum ersten und bisher einzigen Mal den Schweizer Cup

Morgen vor 50 Jahren wurde der FC St.Gallen das einzige Mal Cupsieger. Ein Anlass zum Feiern, aber auch ein Fakt, der Anhänger und Protagonisten des ältesten Fussballclubs der Schweiz nachdenklich stimmen muss.

Fredi Kurth
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Fussballfans im Jahr 1969: St.Galler Anhänger im Berner Wankdorf. (Bild: Keystone)

Fussballfans im Jahr 1969: St.Galler Anhänger im Berner Wankdorf. (Bild: Keystone)

Die Kunde verbreitete sich wie ein Lauffeuer: Der FC St.Gallen ist Cupsieger! Augenzeugen des 2:0-Sieges über Bellinzona hatte es am 25. Mai 1969 nicht so viele gegeben. Einige Tausend reisten zwar nach Bern ins Wankdorf, aber am Fernsehen gab es lediglich eine längere Zusammenfassung. Viele sassen daheim an den Radioapparaten und begaben sich später zum Hauptbahnhof, um die siegreiche Mannschaft um Captain Kurt Grünig zu empfangen und danach zur Freinacht in den «Schützengarten» zu begleiten.

So wie der Meistertitel 2000 entsprang auch dieser Erfolg einem unerwarteten Husarenstreich. Die Mannschaft war in jener Saison nach 18 Jahren erst wieder in die höchste Liga, der damaligen Nationalliga A, aufgestiegen, und die neue Espenmoos-Tribüne befand sich gerade im Bau. Der FC St.Gallen spielte auf dem Krontal, dem Sportplatz des Erzrivalen SC Brühl, und beendete die Saison auf Rang 10. Mit Siegen über Lugano auswärts und Servette daheim warf er zwei damals Grosse des Schweizer Fussballs aus der Knockout-Konkurrenz.

St.Gallens Captain Kurt Grünig präsentiert den Anhängern den Pokal. (Bild: Keystone)

St.Gallens Captain Kurt Grünig präsentiert den Anhängern den Pokal. (Bild: Keystone)

Leo Bauer erfolgreich in drei Spielklassen

Wer damals als junger Anhänger des FC St.Gallen – das Wort Fan war noch tabu – diesen Erfolg miterlebte, hätte nicht gedacht, dass er mindestens fünf Jahrzehnte lang vergeblich auf eine Wiederholung warten würde. Doch bis heute gelangen nur zwei weitere Finalteilnahmen mit Niederlagen. Umso stärker erstrahlt das Unikat.

Im Einsatz am Pfingstmontag 1969 war auch Leo Bauer, ein vielseitiges Talent des FC Fortuna. Als C-Junior beim FC St.Gallen vom Stürmer zum Verteidiger umfunktioniert, wurde Bauer zum einzigen Akteur dieses Vereins, der in drei verschiedenen Ligen spielte, in der 1. Liga, Nationalliga B und A. Leo Bauer sagt:

«Zweimal aufgestiegen und den Cup gewonnen, da hatte ich enormes Glück.»

Er verniedlicht damit seinen nicht unerheblichen Anteil an jener wichtigen FC-Epoche.

Nafzigers Doppelschlag

Im Cupfinal hatte Bauer den Auftrag, Bellinzonas Torjäger Roberto Frigerio an die Kette zu legen, was ihm vorzüglich gelang. Und wenn der langjährige Spieler des FC Basel doch einmal gefährlich wurde, trat hinter Bauer Ausputzer Walter Kaspar in Aktion. Nach der Pause verwertete der Deutsche Rudi Nafziger zwei Vorlagen von Kurt Grünig zum verdienten Sieg vor 24'000 Zuschauern gegen die leicht favorisiert angetretenen Tessiner.

Leo Bauer erinnert sich:

«Der Erfolg basierte auch auf minutiöser Vorbereitung.»

So reiste die Mannschaft bereits am Pfingstsamstag nach Spiez ins Hotel Belvédère, wo die deutsche Nationalmannschaft 1954 ihr Basislager für den späteren sensationellen WM-Titel aufgeschlagen hatte. St.Gallens Trainer Albert Sing war damals als Sepp Herbergers Assistent engagiert und beschwor nun wieder «den Geist von Spiez» herauf.

Betrunkener Bär

Bei der Nationalhymne vor dem Match standen die Spieler stramm wie Soldaten, ohne aber den Text singen zu müssen. Viele Anhänger des FC St.Gallen hatten sich über Mittag im Berner Kornhauskeller versammelt, zwei als Gallus und Bär verkleidet. Der Bär hatte offensichtlich etwas zu viel Alkohol konsumiert, stieg vor dem Match auf eines der beiden Gehäuse im Wankdorf und erlebte den Final nur in einer Ausnüchterungszelle vor dem Radio.

Als Siegprämie erhielt jeder Spieler eine Neuenburger Pendule mit Widmung. «Albert Sing hat uns das anstelle eines Geldbetrags empfohlen», sagt Leo Bauer, «die Uhr bleibt eine ewige Erinnerung».

Die St.Galler Peter Meier (am Ball) und Louis Frei beschäftigen die Bellinzona-Abwehr. (Bild: Keystone)

Die St.Galler Peter Meier (am Ball) und Louis Frei beschäftigen die Bellinzona-Abwehr. (Bild: Keystone)

Verliebte küssten sich noch unter Laternen

Ja, soweit liegt der letzte und einzige Cupsieg zurück: Schweizer Frauen durften noch nicht an die Urne, die erste Mondlandung stand erst bevor, und Verliebte küssten sich noch unter Strassenlaternen. Wer zum Cupfinal mit dem eigenen Wagen nach Bern fuhr, musste in Kriegstetten die Autobahn verlassen, weil sie dort aufhörte.

Die besten Spieler des Landes werteten den eigenen Fussball auf, in dem sie in der Nationalliga A kickten, und die wenigen Ausländer hatten internationales Format. Leute wie Otto Luttrop, Timo Konietzka, Klaus Stürmer oder der St.Galler Zeljko Perusic kamen aus der Bundesliga, auch weil sie hierzulande mindestens so viel verdienten.

Spielerkader bestand aus 16 Leuten

Derweil gingen die Schweizer fast alle einem Beruf nach. Leo Bauer erhielt beim FC St.Gallen lediglich ein monatliches Grundgehalt von 500 Franken, für einen Sieg in der Nationalliga A 300 Franken Prämie, für ein Remis die Hälfte. Das deutsche Sportmagazin «Kicker» berichtete in grosser Aufmachung mit einem Bild vom Training über den FC St.Gallen und liess den Ex-Bayern-Stürmer Rudi Nafziger («Jetzt rede ich!») zu seinem harzigen Start in der Schweiz Stellung nehmen.

Der Kader der St.Galler Cupsieger-Mannschaft bestand aus folgenden Ostschweizern:

  • Leo Bauer
  • Urs Bischof
  • Livio Dolmen
  • Louis Frei
  • Bertram Mogg
  • Aldo Moscatelli

Dazu kamen die Zugezogenen:

  • Jean-Paul Biaggi (Torhüter)
  • Kurt Grünig
  • Walter Kaspar
  • Peter Meier
  • Markus Pfirter
  • Georges Sandoz
  • Guido Schüwig
  • Marcel Tanner

Und dann gab es noch die Ausländer:

  • Rudi Nafziger
  • Elmar Nussbaumer (Ersatztorhüter)
Stolze Cupsieger: Die St.Galler Spieler und Betreuer nach dem Triumph. (Bild: Keystone)

Stolze Cupsieger: Die St.Galler Spieler und Betreuer nach dem Triumph. (Bild: Keystone)

Leo Bauer beendete seine Karriere nach einem Riss der Seitenbänder bereits im Alter von 26 Jahren. Der Beruf ging vor. Fussball war nur die schönste Nebensache der Welt.

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Frage 1 / 10

Welche Mannschaft besiegte der FCSG im Cupfinal von 1969?

FC Basel
AC Bellinzona
FC Lausanne-Sport
FC Zürich