Der Weg zum Fussballprofi war für St.Gallens Axel Bakayoko eine Flucht

Ein ungeschliffener Diamant? Noch ist es schwer, St.Gallens Leihspieler Axel Bakayoko einzuordnen. Der Club attestiert dem 20-Jährigen viel Talent. Doch gerne hätte man ihn behutsamer ans Team herangeführt.

Ralf Streule
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Plötzlich Stammspieler: Axel Bakayoko im Einsatz gegen Basel. (Bild: Benjamin Manser (St. Gallen, 6. Oktober 2018))

Plötzlich Stammspieler: Axel Bakayoko im Einsatz gegen Basel. (Bild: Benjamin Manser (St. Gallen, 6. Oktober 2018))

Auf Axel Bakayokos Trikot ist die «93» aufgedruckt. Und wie so oft steht hinter einer aussergewöhnlichen Rückennummer eine Geschichte. In diesem Fall geht es um eine Liebeserklärung an die Heimat. Im Pariser Département «neuf-trois», wie es die Bewohner nennen, ist der 20-Jährige aufgewachsen. In einem «quartier chaud», wie der St. Galler Leihspieler sagt. Gemeint sind die tägliche Kriminalität und die Krawalle, die 2005 in diesem Pariser Vorort vor sich gingen und weltweit wahrgenommen wurden. Siebenjährig war Bakayoko damals, mit zwei Brüdern wurde er hier gross, in bescheidenen Verhältnissen. Die Mutter brachte die Familie allein über die Runden, der Kontakt zum Vater ging schon früh verloren.

Die Jahre waren nicht einfach, erklärt Bakayoko, dessen berühmterer Namensvetter Tiemouè Bakayoko, «ein entfernter Verwandter», derzeit bei der AC Milan spielt. Der Weg hin zum Fussballprofi war gewissermassen eine Flucht, sagt Axel Bakayoko. Die Liebe zur Heimat ist eine heisse, aber zweischneidige.

Noch zu viele «unerzwungene Fehler»

Zweischneidig ist auch das Bild, das der Fussballer den Zuschauern zuletzt präsentierte. Der 20-Jährige wirbelt seit einem guten Monat auf der rechten Abwehrseite der St. Galler. Mit mehr Vorwärtsdrang als Defensivdisziplin. Mit mehr Schnelligkeit als Abgeklärtheit. Er ist einer, der an Kevin Mbabu der Young Boys erinnern würde, strahlte er etwas mehr Ruhe aus – und fände er öfters den entscheidenden Pass. «Unforced errors» mache er noch zu viele, sagt Peter Zeidler in der Tennissprache: unerzwungene Fehler. Es ist das einzige Negative, das der Trainer über Bakayoko zu sagen hat. Viel länger hält er sich mit dessen Qualitäten auf. «Ich sehe grosses Potenzial. Ich sehe, wie er sich immer wohler fühlt. Und wie er im Training trifft und trifft.»

Es ging schnell im Spätsommer. Nicolas Lüchingers Knieprobleme und dessen Schlüsselbeinbruch im September brachten Bakayoko ins Spiel. «Vielleicht war das für ihn etwas zu früh», sagt Zeidler. Körperlich sei er noch nicht bereit gewesen. Und spricht damit etwas an, das auch Sportchef Alain Sutter stützt. Die Arbeit mit Bakayoko sei gewissermassen ein langfristiges Projekt. «Wir wussten, dass er Zeit braucht», so Sutter. Von der Entwicklung und vom Potenzial des Spielers ist auch er überzeugt. «Ein unglaubliches Talent. Und er wird immer selbstsicherer.» Zeidler sagt, der «kloine Bua», wie man bei ihm zu Hause im Schwabenland sage, sei auf dem Weg, die Hörner abzustossen.

Bakayoko spielt nicht auf angestammter Position

Eigentlich verwunderlich, dass Bakayoko nicht von Beginn weg mit einem grösseren Selbstbewusstsein in St. Gallen auftrat. Vielleicht hat es damit zu tun, dass sein Aufstieg vor zwei Jahren gebremst wurde. Nach ersten Jahren bei Red Star in Paris nahm ihn Inter Mailand unter Vertrag, mit 18 Jahren folgte sein Début mit dem Serie-A-Club in der Europa League, Auftritte in der französischen U20-Auswahl folgten. Darauf kam es zur Ausleihe zu Sochaux, wo Zeidler an ihm gefallen fand. Dann, immer noch bei Inter Mailand unter Vertrag, folgte im Sommer der leihweise Wechsel zu St. Gallen, für vorläufig eine Saison. Ein enttäuschender Weg? Überhaupt nicht, findet Bakayoko. Er bestätigt den Eindruck von Sutter und Zeidler. Er fühle sich immer wohler hier, auch wenn er mit seinen Leistungen zuletzt nicht zufrieden gewesen sei. Und auch wenn er auf einer defensiveren Position spiele, als er sich gewohnt war, als er als rechter Flügel Tempo machen konnte und sich Defensivschwächen etwas weniger auswirkten.

St. Gallen besitzt Option auf eine Übernahme Bakayokos

Eine Frage bleibt: Müsste ein Leihspieler nicht von Beginn weg eine gewichtigere Rolle spielen können, wie es Majeed Ashimeru in St. Gallen tat? Im Falle Bakayokos nicht unbedingt, sagt Sutter. Denn bei ihm habe der FC St. Gallen eine interessante Option für eine Übernahme. Will heissen: Sollte Bakayoko in dieser Saison «einschlagen», wie es Sutter nennt, oder «explodieren», wie es Zeidler formuliert, wäre es im Sinne des Clubs.

Wäre eine langfristige Verpflichtung in St. Gallen auch in Bakayokos Interesse? «Natürlich könnte ich mir vorstellen, länger zu bleiben», sagt er. Seinen Platz im Team habe er gefunden, seine französisch sprechenden Copains helfen ihm bei der Integration. Aber dennoch wird im Gespräch klar: Der Traum, dereinst in der Serie A aufzutreten, oder vielleicht in seiner Heimat in der Ligue 1, ist nicht ausgeträumt. Aber zunächst muss er – eben: explodieren. Und dies nicht nur im Offensivspiel.