Was für ein famoser Auftritt des FC St.Gallen. Beim 6:0 zeigt er sich von seiner absoluten Schokoladenseite, Cedric Itten erzielt gegen Xamax gar einen Hattrick. Weil die Berner aber gleichzeitig in Sitten 1:0 gewinnen, dürfen sie sich zum dritten Mal in Folge Schweizer Meister nennen. Damit kommt es am Montag in Bern nicht zur erhofften Finalissima – es wäre zu schön und zu spannend gewesen.
20.30 Uhr: Sion – YB 0:0, St.Gallen – Xamax 0:0, Spielstart. Das Fernduell der beiden Kontrahenten um den Meistertitel nimmt bereits drei Minuten nach Anpfiff eine erste positive Richtung für St.Gallen, weil Cedric Itten gegen Xamax das macht, was er nicht erst seit dieser Saison gut kann: Ein Tor. Damit wird der Partie im Kybunpark eine gewisse Brisanz genommen, weil der Supergau einer Heimniederlage gegen den Absteiger kaum mehr möglich scheint. Vielmehr hofft man spätestens jetzt auf viele Tore, um dem Traum, erstmals den Titel zu holen nach 20 Jahren, in kleinen Schritten näherzukommen. Und schon vier Minuten später erzielt Ermedin Demirovic das vermeintliche 2:0. Doch der Treffer zählt wegen einer Abseitsposition nicht.
20.40 Uhr: St.Gallen, in Bestbesetzung angetreten, drückt, was das Zeug hält. Abermals ist es Itten, der für Grünweiss trifft und mit dem 2:0 den 18.Saisontreffer erzielt – Xamax, das Léo Farine debütieren lässt, sonst aber in einer passablen Besetzung antritt, ist völlig von der Rolle. Womöglich macht die Pace der St.Galler die Berner im Wallis ja noch ein bisschen nervöser...
20.44 Uhr: Ohje, die Young Boys gehen gegen Sion in Führung. Das ist ganz und gar nicht gut aus St.Galler Sicht, weil die Sittener nun zwei Tore für eine Finalissima erzielen müssten. In der Folge nehmen die St.Galler im Kybunpark das Tempo raus, gut möglich, haben sie vom Spielstand im Tourbillon gehört, auch wenn Trainer Peter Zeidler ebendies tunlichst vermeiden wollte. Kaum denkt man solche Dinge, erhöhen natürlich Itten (ein lupenreiner Hattrick!!) und Demirovic das Skore auf 4:0. Prompt nimmt Xamax-Trainer Stéphane Henchoz einen Doppelwechsel vor – es ist seine ganz persönliche Protestnote zum blamablen Auftritt seiner Mannschaft.
21.15 Uhr: Die St.Galler könnten gut und gerne 7:0 führen. Da YB zur Pause ebenfalls führt, sind diese Rechenspiele aber nicht nötig. 21.30 Uhr: Weiter geht's, auch mit dem Hoffen auf Sion! Xamax findet kurzzeitig besser ins Spiel, doch Jérémy Guillemenot erhöht mit einem Doppelschlag auf 5:0 (50.) und 6:0 (52.). Die Fans sind aus dem Häuschen, für die St.Galler wird die Pflichtaufgabe nun zur absoluten Kür.
60 Minuten sind gespielt, die St.Galler Herr im Haus, doch im Wallis tut sich nichts und die Berner führen weiterhin 1:0. Zeidlers Team bleibt indes seinem Kurs treu, der nur eine Richtung kennt: Schnellstmöglich vors Tor der Neuenburger zu kommen. Knapp 15 Minuten vor Spielschluss markiert Xamax durch den eingewechselten Diafa Sakho den vermeintlichen Ehrentreffer, doch der Videoschiedsrichter greift wegen einer Abseitsposition ein.
22.15 Uhr: Die St.Galler geben weiter Vollgas, könnten gut und gerne ein «Stängeli» feiern gegen das inferiore Xamax. Im Kybunpark hoffen in den Schlussminuten alle so sehr auf den FC Sion. Doch von dort kommt resultatmässig keine Veränderung mehr, und YB ist Meister.
Cedric Itten, ganz klar, sackstark spielt er. Der Nationalstürmer markiert seine Saisontore 17, 18 und 19 und erzielt einen lupenreinen Hattrick. Zudem ist er beim 4:0 und 6:0 Assistgeber.
Diese Bewertung ist nicht ganz ernst gemeint: Goalie Lawrence Ati Zigi muss vor den Augen seines Vorgängers Dejan Stojanovic in der ersten Halbzeit nicht einmal eingreifen. Und in der zweiten ist er in den wenigen Malen zur Stelle, in denen es ihn braucht.
Mit 68 gewonnenen Punkten deutlich besser als Basel, klar besser als Servette, und viel, viel besser alles alle anderen Team der Super League – bis auf die Young Boys. Schade, und doch ist das grossartig. Aber es hat nicht sein sollen mit der Finalissima, wäre aber zu schön gewesen. Nun können die St.Galler in Bern beweisen, wie nahe sie tatsächlich am Widersacher dran waren. Sofern sie ihre starke Saison ausschliesslich positiv bewerten, was sie tun müssen. Und nicht doch ein wenig enttäuscht sind. Meister der Herzen und schweizweit in aller Munde sind die Ostschweizer so oder so.
Ein letztes Mal in dieser Corona-Saison lässt der FC St.Gallen 750 Zuschauer ins Stadion, sie werden ihrem Ruf als Topfans gerecht und lassen während den 90 Minuten ihre Mannschaft mehrmals hochleben. Wie von Trainer Peter Zeidler im Vorfeld angekündigt, gibt es vor dem Spiel und auch danach keine Verabschiedungen von Akteuren, die die Ostschweizer verlassen werden. Dafür gibt es Trinkpausen, weil es selbst für einen Juliabend wahnsinnig warm ist. Nach dem Schlusspfiff lassen sich die St.Galler zurecht feiern vom eigenen Anhang, sie drehen eine Ehrenrunde, wirken gefasst. Schade, ist der Kybunpark nicht voll besetzt wie in normalen Zeiten. Er wäre ein Tollhaus!
Für einmal in dieser Saison kann der FC St.Gallen vom Spielplan profitieren. Weil Xamax bereits abgestiegen ist, und kaum mehr über Saft verfügt. Doch die Young Boys ihrerseits haben mit und seit der Coronapause ja selbst genügend «Schlachtenglück» gehabt. Abermals an diesem Freitagabend, weil Gegner Sion bereits unter der Woche gespielt hat und trotz Abstiegskampf gewiss nicht taufrisch angetreten ist gegen den neuen und alten Schweizer Meiseter.
Peter Zeidler: «Bern ist ein verdienter Meister. Natürlich denkt man vermutlich einmal an diesen einen Elfmeter gegen YB beim 3:3. Vielleicht haben in unserer Liga ja nicht immer die richtigen Teams gewonnen, aber darauf möchte ich gar nicht eingehen. Was die Mannschaft geleistet hat mit 68 Punkten in dieser Saison, wie sie zusammenhält und auftritt, das alles erfüllt mich mit grossem Stolz. Ich will dies an dieser Stelle einmal sagen. Jetzt sind wir in der dritten Qualifikationsrunde für die Europa League. Eindhoven, Milan oder Sporting Lissabon sind offenbar möglich. Ich hoffe auf ein Heimspiel, für uns und für unsere Fans. Man soll mir bitte einmal einen anderen Club in Europa sagen, wo solche Dinge wie in unserem Stadion möglich sind. Dinge, dass sogar der Präsident gefeiert wird. Nach Bern ans letzte Spiel werden wir einen zweiten Bus mieten, alle Spieler fahren dahin. Und sowieso: Wir verspüren grosse Lust, in den nächsten Spielzeiten weiterhin vorne mitzuspielen.»
Stéphane Henchoz: «Wir standen von der ersten Spielminute an unter grossem Druck. Heute haben wir in dieser einen Partie gesehen, was St.Gallen über die ganze Saison ausgezeichnet hat. Es war ein grosser Niveauunterschied zwischen den beiden Teams.»