Ex-FCSG-Trainer Giorgio Contini: «Es ist gut, so weit weggegangen zu sein»

Coach Giorgio Contini gastiert am Sonntag mit Challenge-League-Leader Lausanne in Wil. Die Zeit mit dem FC St.Gallen hat er hinter sich gelassen.

Interview: Christian Brägger
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Giorgio Contini ist mit Lausanne in der Challenge League erfolgreich. (Bild: Salvatore Di Nolfi/KEY)

Giorgio Contini ist mit Lausanne in der Challenge League erfolgreich. (Bild: Salvatore Di Nolfi/KEY)

Giorgio Contini, Sie sind mit Lausanne für uns Ostschweizer völlig von der Bildfläche verschwunden.

Das ist so. Aber ich schaffe nach wie vor viel, jetzt einfach in und mit Lausanne. Der Umstand, dass man nichts mehr von mir hört, ist mehr der geografischen Lage geschuldet. Zudem interessiert die Challenge League nicht so sehr, Lausanne noch viel weniger.

Mit den Waadtländern sind Sie unangefochtener Leader. Verkannte der FC St.Gallen Ihre Fähigkeiten als Trainer?

Nein, das glaube ich nicht. Meine Entlassung vor knapp 16 Monaten hatte ja nichts mit meiner Leistung als Trainer zu tun.

Wir waren damals Vierter und mit den Punkten, die ich geholt habe, hätte es hochgerechnet für die Europa League gereicht. Dass ich als Coach des FC St.Gallen nicht tauglich sein sollte, stand also gar nie zur Diskussion.

Es waren anderen Aspekte – für ein gesundes Berufsverhältnis muss es eben passen.

Es gäbe aus Ihrer Sicht einiges zur Entlassung zu sagen.

Nein. Für mich und meine Familie ist es gut, so weit weggegangen und auch in Vergessenheit geraten zu sein. Ich lebe von ihr unter der Woche getrennt in Lausanne und freue mich nach jedem Spiel zurück nach Hause in die Ostschweiz zu kommen.

Mit Lausanne läuft’s in Ihrer zweiten Saison. Lugano im Cup und jüngst die Grasshoppers wurden besiegt. Was ist das Rezept?

Eine organisierte Defensive mit mutigem Offensiv-Spiel! Wir haben ein gutes Kader, mit dem wir unsere Spielphilosophie umsetzen können. In meiner ersten Saison mit Lausanne war das noch nicht der Fall – es ist nie einfach, einen Absteiger zu übernehmen. Du hast unzufriedene Profis, die wegwollen, weil sie nicht Challenge League spielen möchten. Und auch ich musste mich neu sortieren und einen neuen Anlauf nehmen als Trainer. Im zweiten Jahr ist es immer einfacher, die Spieler kennen dich, du kennst sie, jeder weiss, was man voneinander will. Und prompt läuft’s.

Die Lausanne-Serie ist beeindruckend: 13 Pflichtspiele, eine Niederlage. Und das ausgerechnet gegen den Stadtrivalen Lausanne-Ouchy Ende August.

Lausanne-Ouchy war als Aufsteiger zwar schlecht gestartet, aber wir wussten, dass es besser ist. Einige Akteure von Ouchy wurden bei uns ausgebildet und haben Lausanne-Sport-Vergangenheit. Wir kennen das Phänomen ja: Spieler geben gegen den grossen Bruder oder ihren Ex-Club alles. Zudem gibt es halt Partien, da erreichst du dein Niveau einfach nicht. Wenn davon zu viele Spieler betroffen sind, verlierst du. Es war in dieser Saison ja auch die einzige Partie, in der wir kein Tor erzielten.

Spüren Sie grossen Druck von Besitzer Ineos, auch weil das Budget für Transfers ziemlich gross ist?

Nein. Ich mache mir den Druck selber, egal wo ich Trainer bin: Ich will immer gewinnen. Der optimale Fall wäre der sofortige Wiederaufstieg mit Lausanne gewesen. Wir waren für die Super League aber noch nicht parat. Ineos gibt als Besitzer finanzielle Sicherheit, aber der Konzern investiert bei uns vor allem in die Infrastruktur wie das neue Stadion, das im kommenden Mai betriebsbereit ist. Ineos hat für das Sportliche OGC Nizza gekauft oder das Radteam von Sky. Wir mussten das Budget auf diese Saison hin reduzieren und haben nicht masslos Geld für Transfers. Und es gab Vertragsauflösungen von Spielern, die man für viel Geld vor meiner Zeit geholt hat. Aber man hat aus solchen Fehlern gelernt. Ich schätze mich glücklich in Lausanne, der Nährboden hier ist gut, bei einem Aufstieg gäbe es gewisse Möglichkeiten.

Lausanne wird spätestens in der Saison 2021/22 mit der angedachten Aufstockung auf zwölf Teams in der Super League erwartet, würde als Idealbesetzung gelten.

Giorgio Contini (Bild/KEY)

Giorgio Contini (Bild/KEY)

Man darf niemals auf einen Aufstieg wegen einer Aufstockung hoffen, gewiss nicht ein Traditionsverein mit Ambitionen wie Lausanne. Wir wollen nicht warten, jedes Jahr in der Super League tut uns gut.

Nun kommt es zum Spitzenspiel beim FC Wil. Gegen Trainer Ciriaco Sforza haben Sie in sechs Begegnungen erst einmal verloren.

Ich kann mich an keine Niederlage gegen Ciriaco Sforza erinnern. Wil hat eine gute, junge, willige Mannschaft. Wir sind wohl der Favorit, damit können wir umgehen. Also wollen wir auch das bessere Team sein, das am Sonntag gewinnt.

Sforza will auf Sieg spielen

Beste Abwehr gegen besten Angriff: So lautet die Affiche beim Spitzenspiel von Sonntag zwischen Wil und Lausanne-Sport. Anspiel ist um 14.30 Uhr in der IPG Arena. In den Spielen gegen Winterthur (3:0) und Vaduz (4:1) haben die Wiler gezeigt, dass sie in einer exzellenten Verfassung sind. Mit breiter Brust möchte das Team auch gegen die Westschweizer antreten. Trainer Ciriaco Sforza sagt: «Wir spielen immer auf Sieg. Die Mannschaft hat eine Winner-Mentalität.» Auch wenn Lausanne der Favorit ist, ein Sieg ist den Wilern derzeit durchaus zuzutrauen. (gll)