Luganos kanadischer Trainer Chris McSorley will den Schweizer Pass beantragen. Ober dann noch im Amt ist, wenn er ihn erhält, ist nicht sicher.
Beginnen wir mit einem etwas frivolen Beispiel aus dem richtigen Leben. Das mag politisch und auch sonst nicht ganz korrekt sein, erklärt uns aber die Situation von Chris McSorley in Lugano. Wir alle haben schon mitbekommen, dass ein Mann am Telefon mit einem Kumpel ganz anders spricht als mit seiner Frau oder Freundin.
Mit dem Kumpel nimmt er kaum ein Blatt vor den Mund, kommt direkt zur Sache und macht auch mal einen träfen Spruch. Mit seiner Gattin oder Freundin spricht er hingegen in der Regel viel behutsamer und in leiserem Ton, wählt die Worte sorgfältig, rühmt viel und unterlässt kernige Scherze.
Wenn Chris McSorley über seinen neuen Arbeitgeber Lugano spricht, dann tönt er wie ein Mann, der mit seiner Frau oder Freundin telefoniert. Alles ist in bester Ordnung. Er freue sich – ja, er sehe sich gesegnet – dass er für Lugano arbeiten dürfe. Bewundernswert sei die Leidenschaft der Spieler und – das ist ganz wichtig – Niklas Schlegel sei ein grosser Torhüter. Ach, war das früher in Genf unterhaltsam, wenn er mit träfen Sprüchen seine Jungs analysierte und fadengerade sagte, was Sache ist.
Diese Verwandlung hat einen guten Grund: in Lugano ist Chris McSorley zum ersten Mal seit seiner Ankunft in der Schweiz im Sommer 2001 „nur“ noch Trainer und entlassbarer Lohnempfänger. Und sonst gar nichts. Nicht Sportchef und schon gar nicht Mitbesitzer. Nun hat er weisungsbefugte Vorgesetzte: Präsidentin Vicky Mantegazza, Geschäftsführer Marco Weder oder Sportchef Hnat Domenichelli können ihm jederzeit die Hühner eintun.
Smart wie Chris McSorley nun mal ist, hat er sich auf diese heikle neue Ausgangslage eingestellt. Nach dem Motto: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Und zwar in den höchsten Tönen. Diese Anpassungsfähigkeit ist bemerkenswert. Im Mai ist Luganos Trainer immerhin schon 59 geworden. Die bange Frage war ja: kann sich Chris McSorley nach fast zwei Jahrzehnten „Alleinherrschaft“ in Genf nun in Lugano in eine Hierarchie einordnen? Ja, er kann.
Was ihm umso leichter fällt, weil er vorerst von seinem guten Namen profitieren kann. Er gilt als der „Messias“, der Lugano endlich, endlich aus der seit 2006 andauernden Meisterlosigkeit zu erlösen vermag. Alle hängen ihm an den Lippen und der Vertrag läuft bis 2024. Nun ist es so, dass der Start nicht gerade ruhmreich war. 8 Spiele, 14 Punkte.
Serge Pelletier, im Frühjahr nicht mehr erwünscht, war im letzten Herbst erfolgreicher: 15 Punkte aus 8 Partien. Bei einem Cheftrainer mit einem weniger berühmten Namen würde so ein Auftakt kritisch beurteilt. Denn: Lugano hat aufgerüstet. Mit den Zuzügen von Mirco Müller, Santeri Alaltalo und Samuel Guerra hat die Verteidigung meisterliches Format.
Aber noch hat Chris McSorley genug Autorität, um zu erklären, die Meisterschaft werde ja erst im Frühjahr entschieden. Würde er reden wie früher in Genf (also wie am Telefon mit einem Kumpel), dann würde er sagen, dass sein ausländisches Personal bei den zur Verfügung stehenden Mitteln schon besser sein könnte als beispielsweise das von Langnau und Torhüter Niklas Schlegel sei halt kein grosser Goalie.
Aber er rühmt seinen Sportchef und hebt Niklas Schlegel in den Himmel. Was ihn allerdings nicht daran gehindert hat, zuletzt gegen den SC Bern Thibault Fatton (19) ins Tor zu stellen. Der Junior wehrte 96,30 Prozent der Schüsse ab und sicherte den Sieg (3:1).
Seit 2006 sind in Lugano alle Trainer gescheitert. Spielerversteher wie Serge Pelletier oder Sami Kapanen, Trendsetter wie Patrick Fischer, autoritäre Kanadier wie Doug Shedden, Nostalgiker wie Larry Huras und alle schwedischen Taktiker. Ob es Chris McSorley besser ergeht, wird sich bald zeigen. Eigentlich sind Siege gegen Ambri alles, was wirklich zählt. Scheitern im Titelkampf ist viel weniger schlimm.
Am Freitag tritt Lugano zum ersten Mal gegen Ambri an. Ein Triumph im Derby wiegt fünf Niederlagen gegen andere Gegner bei weitem auf. Nie war es so einfach, zu wissen, wie es um den Trainer in Lugano steht. So lange Chris McSorley auf alle Fragen nach dem Wohlergehen und Niklas Schlegel so spricht wie ein Mann am Telefon mit seiner Frau oder Freundin, ist alles bestens.
Erst wenn er über Lugano so redet wie wenn ein Kumpel am Apparat ist, dann wissen wir: der Baum brennt. Das kann schon nach der ersten Derby-Pleite Fall der sein.