Zwei Schweizer Fahrer aus dem Lager der Techniker haben durch neues Material auch neue Verbündete gefunden.
Der Materialwechsel kann für einen Skifahrer eine ganz schön knifflige Angelegenheit sein. Etwa bei Slalomspezialist Luca Aerni. Sein Vater arbeitet seit Jahr und Tag für die Firma Salomon. «Ich fahre diese Marke, seit ich zum ersten Mal auf Skis stand», sagt Aerni. Doch nun ist Schluss damit. Nach zwei Saisons zum Vergessen folgte die Emanzipation – vom ewigen Ski und wohl auch ein wenig vom Vater. Selbst wenn Luca Aerni betont: «Mein Vater stand bei dieser Entscheidung hinter mir. Es war für mich aber auch der einzige mögliche Weg.» Neu kurvt der Kombi-Weltmeister von 2017 mit Fischer-Ski die Slalomhänge hinunter.
Ein Befreiungsschlag war der Markenwechsel auch für Thomas Tumler. Der Riesenslalom- und Super-G-Spezialist aus Samnaun gibt offen zu: «Der Hauptgrund für den Wechsel war die schlechte Saison». Diese sorgte dafür, dass Tumler das Vertrauen in sein Material verlor. Er trennte sich von Fischer und fährt nun für die Schweizer Skimarke Stöckli. Die Wahl sei aus einem Bauchgefühl heraus entstanden, sagt der 30-Jährige.
Vor dem Start in den Weltcup ziehen beide Fahrer eine positive Bilanz. Dass die Angewöhnung relativ einfach vonstatten ging, hat einen Namen, respektive deren drei: Marco Odermatt, Daniel Yule und Tanguy Nef. Tumler sagt, es sei ein grosser Vorteil, dass er nun nicht mehr wie zuvor der einzige im Team mit dieser Marke ist, sondern in der Person von Odermatt einen Verbündeten an der Seite hat, der mit Stöckli vertraut ist. «Oft habe ich bei der Einstellung des Materials keine Lösung für gewisse Verhältnisse gefunden. Jetzt kann ich mich mit Marco abstimmen und wir finden den Weg gemeinsam».
Auch Luca Aerni betont die Unterstützung durch seine starken Slalomkollegen. «Die Diskussionen untereinander sind sehr spannend und auch neu für mich. Vorher war ich materialtechnisch immer alleine unterwegs.» Bei aller Zuversicht betont der Berner jedoch: «Gleich eine Sekunde schneller wird man mit einem neuen Ski nicht.» Zuhörer Daniel Yule quittiert diesen Satz mit der trockenen Bemerkung «Doch!».
Nur mit der anfänglichen Euphorie eines Kindes, das unter dem Weihnachtsbaum sein Wunschgeschenk gefunden hat, ist es jedoch nicht getan. Ein Markenwechsel ist für den Profi schwieriger, als dass es sich für den Laien anhört. «Man fängt praktisch wieder bei Null an», sagt Luca Aerni. Er vergleicht die Umstellung mit dem Wechsel des Autos. «Auch da erschreckt man, wenn man zum ersten Mal auf die Klötze tritt und merkt, dass das Bremsverhalten ganz anders ist.»
Testen sei ein Prozess, «der eigentlich nie aufhört», stellt Thomas Tumler fest. Er sei nach dem Motto vorgegangen «weniger ist mehr». Zuerst die Angewöhnung an ein Standardmodell, das überall funktioniert. Und darauf aufbauend dann die Abstimmung zwischen Ski, Schuhe, Bindung und Platte für unterschiedliche Bedingungen finden. Luca Aerni sagt, dass dabei der Schuh beinahe die grössere Rolle spiele als der Ski. Er spürt bei sich Fortschritte bei der Beschleunigung zwischen den Toren. «Einige Dinge gehen viel besser als vorher», ist der 27-Jährige überzeugt. Er schwärmt vom neuen Gefühl auf den Ski. «Es war ein Wechsel für den Kopf, um aus dem Tunnel rauszukommen».
Bei Thomas Tumler hat das aktuell gute Gefühl noch einen anderen Hintergrund. Nach einer längeren Phase mit Rückenproblemen ist er wieder beschwerdefrei. Woher die Schmerzen gekommen sind, sei schwierig zu sagen. «Mehrere Faktoren spielten wohl zusammen». Wieso die Schmerzen hingegen wieder verschwunden sind, kann durchaus ein Stück weit mit dem Markenwechsel zu tun haben. «Es ist beachtlich, was es alles ausmacht, wenn man Vertrauen ins neue Material hat und dadurch den Kopf wieder frei bekommt», sagt eine Person aus Tumlers Umfeld.