Vater Thomas Fuchs über seinen Sohn Martin: «Damals dachte ich: Er wird es nie lernen»

Martin Fuchs ist in eine pferdeverrückte Familie hineingeboren. Das war in der Jugend nicht immer einfach. Die Erwartungen waren hoch, der Vater kritisch. Dennoch ist der 26-Jährige heute einer der besten Springreiter der Welt.

Raya Badraun
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Der Springreiter Martin Fuchs posiert am CSIO mit seinem Vater Thomas und seiner Mutter Renata. (Bild: Benjamin Manser)

Der Springreiter Martin Fuchs posiert am CSIO mit seinem Vater Thomas und seiner Mutter Renata. (Bild: Benjamin Manser)

Martin Fuchs war als Kind eher ein Kleiner. Doch dann, in der Pubertät, wuchs er plötzlich ein ganzes Stück. Mit seiner neuen Grösse, dem schlaksigen Körper, wusste er damals nicht recht umzugehen. Bei jedem leichten Stopp seines Pferdes fiel er zu Boden – auch an den Turnieren. Sein Vater Thomas Fuchs sah das gar nicht gerne. Er sagt: Damals dachte ich: Er wird es nie lernen.»

Aus Frust reiste er bei manchen Wettkämpfen frühzeitig ab. Heute ist Martin Fuchs 26 Jahre alt und einer der besten Springreiter der Welt. Im vergangenen Herbst feierte er seinen bisher grössten Erfolg. An der WM in Tryon wurde er auf dem Wallach Clooney Zweiter unmittelbar vor seinem Vorbild Steve Guerdat.

«Ich hatte eine sehr einfache Karriere.»

Immer wurde er besser, immer ging es weiter. Sein Weg hätte jedoch auch eine andere Richtung nehmen können. «Beim älteren Sohn haben wir was das Reiten betrifft viel falsch gemacht», sagt Mutter Renata. Adrian ist vier Jahre vor Martin auf die Welt gekommen. Sein erstes Pony hatte er im Stall der Eltern in Bietenholz nahe Effretikon. Es war nicht die richtige Umgebung für den Buben. Immer war er unter Erwachsenen, die andere Massstäbe kannten. Die Mutter ritt damals noch an internationalen Turnieren, der Vater ebenso. Sass Adrian im Sattel, wurde er oft kritisiert. «Sitz gerade», sagten sie ihm. «Ferse nach unten.» Das müsste er doch besser können, dachte der Vater Thomas Fuchs. «Wir haben zu viel gewollt», sagt Renata Fuchs. Am Ende sei es dem Bub verleidet. Heute spielt Adrian Fuchs lieber Unihockey und arbeitet im Marketing.

Martin Fuchs’ Pony stand nicht im Stall der Eltern

Martin Fuchs ging einen anderen Weg – ganz bewusst von den Eltern so entschieden. Sein Pony Cleopatra, eine kleine Fuchsstute, war in einem Stall in Volketswil untergebracht. Drei- bis viermal pro Woche war Martin nach der Schule dort, jedes Mal in einer anderen Mädchengruppe. «So hat er spielerisch gelernt», sagt Renata Fuchs.

«Und wir haben nicht reingeredet. Das war viel besser.»

Haben die Eltern damals bereits gemerkt, dass aus ihrem Sohn ein erfolgreicher Springreiter werden könnte? «Bei den Familienspringen sah es noch nicht so gut aus», sagt Thomas Fuchs und lacht. Talent alleine reiche ohnehin nicht. Der Wille müsse da sein, der Ehrgeiz. Schon als Kind hat Martin davon gesprochen, dass er Springreiter werden möchte. Er war immer gerne im Stall der Eltern unterwegs und an den Turnieren sass er, der «grosse Fan», im Publikum, wenn Familienmitglieder über die Hindernisse sprangen. «Er war viel mehr angefressen als Adrian», sagt Renata Fuchs. Sie und ihr Mann haben sich gefreut, dass der jüngste Sohn den gleichen Weg einschlagen wollte. «Es ist schön, wenn jemand den Namen weiterträgt in diesem Sport», sagt die Mutter.

Die Mutter schlichtete, wenn der Vater kritisierte

Fuchs, das ist immerhin eine Reiterdynastie. Mutter Renata wurde 1990 Schweizer Meisterin. Vater Thomas gewann dreimal EM-Gold mit der Mannschaft und Onkel Markus war Weltcupsieger und Olympia-Zweiter. Einen Moment lang sah es jedoch so aus, als würde der Name Fuchs im Reitsport nicht mehr weiterbestehen. Markus Fuchs hat ebenfalls zwei Söhne. Doch weder sie noch Adrian wollten das Erbe antreten. Also blieb noch Martin, der Jüngste.

«Wir wussten, dass es möglich ist. Doch wir waren uns nicht sicher, ob er es auch durchzieht», sagt Renata Fuchs. «Immerhin ist es ein langer Weg.» Und es gab durchaus Momente, in denen Martin hätte aufgeben und ein anderes Leben beginnen können. Etwa als er in der Jugend den Wachstumsschub erlebte und ständig vom Sattel rutschte. «Das war eine harte Phase», sagt die Mutter. Doch Martin Fuchs hat viel vom Vater. Da ist etwa der sture Kopf, der unbändige Ehrgeiz.

Starkes Duo: Martin Fuchs auf Clooney. (Bild: Björn Larsson/EPA)

Starkes Duo: Martin Fuchs auf Clooney. (Bild: Björn Larsson/EPA)

Martin war ein wilder Bub, immer musste etwas laufen. «Als er noch ein Kind war, mussten wir ihn manchmal bremsen», sagt Thomas Fuchs. In einem Steckbrief, der 2005 in der Pferdewoche erschien, schrieb der damals 13-Jährige: «Träume: habe ich beim Schlafen.» Unter Zielen stand: «Weltmeister werden.» Er hat lieber mehr als weniger gemacht. Und nach jedem Sturz stand er wieder auf.

Das hat er schon früh gelernt von seinem Grossvater Mathias Fuchs. Bei ihm hat der Bub viel Zeit verbracht, wenn die Eltern an Turnieren waren. «Es ist keine Schande hinzufallen», hat dieser jeweils gesagt. «Doch es ist eine Schande, nicht wieder aufzustehen.» Eine wichtige Rolle auf dem Reitplatz übernahm auch Mutter Renata. Sie war jeweils die Schlichterin, wenn der Vater wieder einmal kritisierte. «Sie hat die besseren Nerven als ich», sagt Thomas Fuchs. Und sie war es auch, die Martin in der Jugend hauptsächlich trainierte, an Turniere begleitete und den Pferdetransporter durch Europa fuhr.

Als Martin Fuchs älter wurde, entspannte sich das Verhältnis

Mit 18 Jahren hatte Martin Fuchs bereits zwei EM-Bronzemedaillen bei den Junioren gewonnen und Team-Gold an den Olympischen Jugendspielen in Singapur. Da zog sich sein Vater Thomas aus dem Wettkampfsport zurück. In den Jahren davor war er mit seiner Frau bei Trabrennen angetreten und trug dabei gelb-blaue Kleider mit einem grossen F auf der Brust. Das Paar war äusserst erfolgreich. Doch der Wettkampfsport und die Ausbildung des Sohnes funktionierten nicht zusammen. So entschied sich Thomas Fuchs für letzteres.

Er sei ein strenger Lehrer, sagt der Coach der Schweizer Equipe von sich selbst. Und vor allem sei er ein Trainer für erfahrene Reiter. Als Martin noch jünger war, da korrigierte er Details, die das Kind weder sehen noch umsetzen konnte. Es war frustrierend für beide. Als Martin jedoch besser wurde, mehr Erfahrung und Routine hatte, da entspannte sich der Umgang. Es wurde leichter. Heute wird Martin noch immer von seinem Vater betreut. Auf dem Übungsplatz stellt Thomas Fuchs den Parcours zusammen. Verbesserungen hingegen sind kaum mehr nötig. «Ich weiss, was er sagen wird, bevor er es ausspricht», sagt Martin Fuchs.

«Es geht auch einmal ohne Eltern, aber nicht lange»

Die Mutter ist noch immer seine Managerin, kümmert sich etwa um die Pässe der Pferde oder die Anmeldung für die Concours. Und wenn der Pferdepfleger in den Ferien ist, dann fährt sie den LKW. «Es ist etwas ganz anderes, wenn die Familie dahintersteht», sagt Thomas Fuchs. «Ein Steve Guerdat muss im Vergleich einiges mehr machen und organisieren.» Das hat Martin Fuchs gemerkt, als er von zu Hause auszog und nach Wängi kam. Er war damals 23 Jahre alt und übernahm den Stall von Alois Fuchs, einem Cousin seines Vaters. Martin Fuchs sagt:

«Es war ein riesiger Vorteil, dass mir meine Eltern schon früh gezeigt haben, wie man einen Stall führt.»

Die Anfangszeit war dennoch streng. Er musste Futter bestellen, Handwerker organisieren und für Ordnung sorgen. Heute kann er sich wieder mehr auf den Sport konzentrieren. Denn es sind nicht nur Angestellte dazugekommen; seine Eltern haben im vergangenen Herbst ihren Stall in Bietenholz aufgegeben und zogen nach Wängi. Seither nehmen sie ihm viel Arbeit ab, kümmern sich etwa um die Pferde und Weiden. «Es geht auch einmal ohne meine Eltern», sagt Martin Fuchs. «Aber nicht lange.»

Die Zeit war den Schweizern zu knapp

Kein Schweizer Reiter im Stechen der GP-Qualifikation am Starttag des CSIO St. Gallen: Sowohl Annina Züger als auch Arthur da Silva scheiterten ohne Abwurf am Zeitlimit. Den Sieg sicherte sich der Brasilianer Modolo Zanotelli mit Koddac.
Bei Sonnenschein mass sich die CSIO-Elite im anspruchsvollen Weltranglistenspringen über eine Hindernishöhe von 150 cm. Vielen Paaren war der Kurs zu schwierig, nicht jedoch der Schwyzerin Züger mit Douglas Chavannais und dem Thurgauer Da Silva mit Inonstop. Sie blieben fehlerlos, überschritten aber knapp das Zeitlimit von 73 Sekunden, was zu einem Strafpunkt führte. Zuvor konnte ein Schweizer Erfolg bejubelt werden. Der aktuelle Cupsieger Pius Schwizer gewann das Zweiphasenspringen mit Balou Rubin vor der Amerikanerin Paris Sellon, der Freundin von Martin Fuchs, mit Cassandra. Am Freitag erfolgt der erste CSIO-Höhepunkt. Der 84. Grand Prix der Schweiz mit Start um 16 Uhr ist mit 150 000 Euro dotiert und wird mit einer Finalrunde der besten ­
25 Reiter ausgetragen.
Bislang gab es im GP der Schweiz zwölf einheimische Siege. Zuletzt triumphierten Romain Duguet 2015 mit Quorida de Treho und Paul Estermann 2014 mit Castlefield Eclipse. Die Schweizer Steve Guerdat mit Venard, Martin Fuchs mit The Sinner, Niklaus Rutschi mit Cardano, Estermann mit Curtis Sitte sowie Schwizer mit Cortney Cox sind Anwärter fürs Podest. Nicht dabei ist der Vorjahreszweite Beat Mändli. Gefordert werden die Schweizer Elitereiter vor allem von den Reitern aus Frankreich mit den Olympia-Goldgewinnern Kevin Staut und Pénélope Leprevost, den Italienern und Brasilianern. (wy)