Ein Appenzeller lässt in der Leichtathletik aufhorchen – Simon Ehammers Satz in neue Sphären

Der Appenzeller Simon Ehammer brilliert mit der zweitbesten Weite, die ein Weitspringer national je erreicht hat. Dabei ist er eigentlich Zehnkämpfer.

Jörg Greb
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8,15 m – eine fabelhafte Weite für den Schweizer Simon Ehammer im Weitsprung.

8,15 m – eine fabelhafte Weite für den Schweizer Simon Ehammer im Weitsprung.

Bild: Anthony Anex/KEY (Langenthal, 13. Juni 2020)

Beim Jumper Event in Schaffhausen sorgte der U20-Europameister im Zehnkampf vom vergangenen Sonntag für die Glanzleistung. Das Aushängeschild vom TV Teufen landete bei seinem vierten Versuch im Weitsprung bei 8,15 m. Sein Freudenschrei, seine Emotionen waren mehr als begründet. Erstmals übertraf der erst 20-Jährige die 8-m-Grenze. Bereits letztes Jahr hatte er sich diese exzellente Weite zugetraut. Zu mehr als 7,87 m reichte es bis dahin allerdings nie.

Wie dieser nationale Rekordsprung auf Stufe U23 einzuordnen ist, zeigt ein kurzer Blick in die Statistik. Als einziger Schweizer ist bis jetzt Julien Fivaz weiter gesprungen: 8,27 m, am 2. August 2003 im deutschen Ebensee, und dies einmal. Zuvor hielt der Ostschweizer Rolf Bernhard mit 8,14 m den Rekord während 22 Jahren. Benjamin Gföhler sprang vor vier Jahren 8,13 m und verpasste damals die Olympia-Teilnahme um einen Zentimeter.

Lockerheit als Basis

«Genial» freute sich Simon Ehammer. Um den dritten Weitsprung-Wettkampf in dieser speziellen Freiluft-Saison handelte es sich für ihn. Bei 7,60 m landete er in Langenthal, bei 7,44 m in Meilen, und nun, sieben Tage später, dieser Leistungssprung. «Es passte zusammen», sagte er. Als wichtiges Element bezeichnet Ehammer «die wieder gefundene Lockerheit».

Das Unverkrampfte, die absolute Wettkampffreude und die Fähigkeit, sich an sich zu freuen und aufzubauen, führten ihn letzten Sommer bereits eindrücklich zum U20-Europameister-Titel im Zehnkampf. Er sagte:

«Ich konnte meine Fortschritte punkto Schnelligkeit nutzen und traf den Balken optimal.»

Perfekte äussere Bedingungen mit einem Rückenwind von 1,3 m/s unterstützten ihn in Schaffhausen. Von «einer wirklich coolen Weite», sprach er. Dabei war die ganze Serie toll: Weiten von 7,84 m, 7,82 m und 7,90 m kamen hinzu.

Erfüllt sieht Ehammer mit dieser Leistung seinen Anspruch, ein 8-m-Springer zu sein. «Toll, dass es jetzt klappte», sagte er und verwies darauf, dass diesmal die Feinabstimmung passte; Tempo wie Schnellkraft vermochte er für Anlauf, Absprung und Flugphase umzusetzen.

Die Weite öffnet Perspektiven

Notabene handelt es sich um eine Weite, die Perspektiven eröffnet. Zwar hat sie derzeit für internationale Ambitionen keinen Stellenwert, da bis im Dezember keine Limiten zählen. Gelingt Ehammer aber im nächsten Winter oder Frühling die Bestätigung, dürfte Olympia realistisch werden. Die Spezialisierung aber stellt für ihn kein Thema dar. Vielmehr sagt er: «Wunderschön wär’s, sollte es im Weitsprung und im Zehnkampf für Olympia reichen.»

Solche Gedanken sind mit der Verschiebung der Spiele in Tokio auf nächsten Sommer realistischer geworden. «Mir geht mit diesem Jahr nichts verloren, vielmehr kann ich zusätzlich Erfahrung sammeln und mich weiter verbessern.» Im Training fokussiert er Wurfbereich und (Schnell-)Kraft mit seinen beiden Coaches Karl und René Wyler. «Das Herausfordernde ist, dass durch die zusätzliche Muskelmasse meine Fähigkeiten in den Sprüngen nicht verloren geht.» Die Rechnung scheint mehr als aufzugehen.

Hinzulernen, lernen, lernen

Zumal die Begeisterung trägt. Am Montag trat Ehammer in Zürich erneut an – diesmal auf sich alleine gestellt, ohne Coach, dafür mit Klubkollegen am Pistenrand. «Auch solches muss ich lernen», sagte er. Mit den Leistungen gab er sich mehr oder weniger zufrieden.

1,95 m im Hochsprung – «es war schwierig, ganz alleine zu springen, nachdem alle Gegner vor meiner Anfangshöhe ausgeschieden waren»; 14,32 Sekunden über 110 m Hürden – «der starke Gegenwind verunmöglichte das Durchbrechen der 14-Sekunden-Barriere» und 14,32 m im Kugelstossen. «Ich habe meine Bestmarke egalisiert und das bei meinem ersten Wettkampf nach dem Wechsel von der O-Brian- zur Wechselschritt-Technik.»

Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusehen, dass von Ehammer auch weiter zu hören sein wird. Ob als Zehnkämpfer oder als Weitspringer.