Skicrosser Marc Bischofberger steht vor einer Saison der Herausforderungen

Nach einem perfekten Winter bereitet sich der Olympiazweite Marc Bischofberger intensiv auf die neue Saison vor. Eine WM-Medaille soll endlich her.

Daniel Good
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Skicrosser Marc Bischofberger am 21. Februar in Südkorea auf der Fahrt zu Olympiasilber (Bild: David Ramos/Getty

Skicrosser Marc Bischofberger am 21. Februar in Südkorea auf der Fahrt zu Olympiasilber (Bild: David Ramos/Getty

Eigentlich müsste er die Konkurrenz in der kommenden Saison in Grund und Boden fahren. Denn Marc Bischofberger ist seit Frühsommer Profisportler. Vorher war er Amateur mit einer Teilzeitstelle in Oberegg. Vor gut einem Jahr – im Vorfeld der olympischen Saison – legte er die Arbeit ein paar Wochen früher zur Seite als üblich. Der Lohn war üppig. Der nahezu unbekannte Appenzeller holte Olympiasilber und den Weltcup-Gesamtsieg. «Die perfekte Saison für mich», sagt Bischofberger.

Die Ski waren schon am berühmten Nagel

Besser geht fast nicht. Auch als Profi nicht. «Die Konkurrenz schläft nicht. Es kann im Skicross immer wieder Rückschläge geben», sagt der einzige Ostschweizer Medaillengewinner an den Olympischen Winterspielen 2018 in Südkorea. Keiner kennt die Tiefen einer Karriere besser als Bischofberger. Als er ein junger alpiner Rennfahrer mit ansehnlichen Perspektiven war, verletzte er sich so schwer, dass er die Ski an den Nagel hängen musste. Zum Skicross kam er erst nach einer längeren Spitzensportpause.

Auch wenn er nach den Olympischen Spielen einen Kreuzbandriss erlitt, steigt Bischofberger mit einem guten Gefühl in die Saison der Bestätigung. Die Verletzung beeinträchtigte die Vorbereitung auf den kommenden Winter zwar, aber seit gut sechs Wochen ist der 27-Jährige wieder zu 100 Prozent auf dem Damm.

Geschlaucht in Liechtenstein

Skicross – der Kampf Mann gegen Mann auf schmalen Brettern in engen Kurven – ist eine körper­betonte Sportart. Deshalb ist es wichtig, dass Bischofberger physisch wieder der Alte ist. Das hilft auch dem Kopf: «Angst habe ich wegen des Kreuzbandrisses ­keine. Ich bin fit wie vor einem Jahr.»

Seit Ende August trainieren die Schweizer in Saas-Fee auf Schnee. Um das Knie zu schonen, legte Bischofberger immer wieder Pausen ein. «Ich wollte nichts riskieren. Ich bin wegen des Kreuzbandrisses auch immer noch in der Therapie.»

Der Anriss des Kreuz­bandes im linken Knie nach einem Sturz Bischofbergers in Russland wurde nicht operiert, sondern über Monate hinweg in Bad Ragaz in der Physiotherapie behandelt. Im Swiss Olympic Medical Center. Wie es sich für den Olympiazweiten gehört.

Schinderei im Kraftraum

Genauso wichtig wie die Skikilometer auf Schnee ist das athletische Training. Auch diese Woche ertüchtigt sich Bischofberger in Balzers – wie die alpine Olympiamedaillengewinnerin Tina Weirather. Täglich stehen für Bischofberger zwei Schichten auf dem Programm. Es geht im Wesentlichen um Kraft und Koordination, um ab dem 7. Dezember im Val Thorens in Frankreich für die Zweikämpfe auf den anspruchsvollen Weltcuppisten gewappnet zu sein.

Denn geschenkt wird Bischofberger trotz der Meriten der vergangenen Saison nichts. Auch die Qualifikation für die WM 2019 hat er nicht auf sicher. Deshalb kehrt Bischofberger alles vor, um an die Erfolge der vergangenen Saison anzuknüpfen.

Das Trockentraining im Vorfeld der Ernstkämpfe kann ganz schön anstrengend sein. Als Bischofberger noch Amateur war, aber ambitioniert wie ein Profi, musste er sich nach der Schinderei im Kraftraum auch schon übergeben. Auf der Autobahn auf dem Heimweg zu seinem Wohnort Marbach wurde ihm übel. Er fuhr auf den Pannenstreifen und beugte sich über die Leitplanke. Bischofberger sagt im Rückblick:

«In das Auto wollte ich dann schon nicht kotzen.»

Das ist mehr als zwei Jahre her. Mittlerweile ist Bischofbergers Körper das harte Training gewohnt. Auch weil der Weltcupsieger Profi ist und mehr Zeit für die Erholung hat. «Wir gehen manchmal bis an die Grenze. Deshalb ist es gut, dass ich mehr Zeit zum Entspannen habe.»

Im Profitum sieht er nur Vorteile, «auch wenn ich vorher gedacht habe, mir stünde jetzt mehr freie Zeit zur Verfügung. Aber sehr vieles in meinem Leben ist mittlerweile verplant.» Um das Einkommen muss sich Bischofberger freilich keine Gedanken machen. Seine Managerin hat weitere Sponsoren an Land geholt.

Die Wiedersehen mit dem Olympiasieger

Skicross ist eine Randsportart. Reich wird niemand. Bischof­berger hat in der Skihochburg Schweiz dank seiner natürlichen Art etwas Popularität erlangt. Als der Ostschweizer während des Trainings Olympiasieger Brady Leman wieder sah, sagte der Kanadier zu Bischofberger: «In der Schweiz bin ich berühmter als in meinem Heimatland.» Leman ist jener Konkurrent, vor dem Bischofberger am meisten Respekt hat. «Er ist unglaublich stark.»

Bischofberger ist immer froh, wenn er Leman bei Wettkämpfen aus dem Weg gehen kann. Das sagte er während der Olympischen Spiele zu seiner Rheintaler Freundin. Und prompt musste er in Südkorea im ersten Lauf gegen Leman ran. Die Freundin schluckte leer. Bischofberger wird sich gesagt haben: «Was mich nicht umhaut, macht mich stärker.»

Er hält dem Druck stand, weil er es lernte

So kam es. Das nächste Wiedersehen mit Leman gab es für Bischofberger im olympischen Final. «Druck hast du immer», sagt Bischofberger. Er könne zum Glück damit umgehen. «Das kam nicht vom einen Tag auf den andern. Ich musste es lernen. Es ist schwierig zu sagen, weshalb es so ist. Viele scheitern am Druck. Ich schaffe es aber immer irgendwie, das Unnötige auszublenden und nicht an zu viel zu denken. Das hat auch mit dem Selbstvertrauen zu tun, das ich mir mit den guten Resultaten verschafft habe. Es ist schon nicht so einfach gewesen, als Favorit an die Olympischen Spiele zu reisen. Aber es ging auf.»

Die offene Rechnung mit der WM

In dieser Saison steht die WM im Februar in den USA im Fokus der Weltelite. Sie findet in Solitude im Bundesstaat Utah statt. Bischofberger und seine Teamkollegen reisten vor knapp zwei Jahren extra nach Übersee, um an der WM-Strecke Mass zu nehmen.

Die Schweizer Männer gehören zwar zu den stärksten Skicrossfahrern der Welt, aber eine Medaille haben sie seit der ersten WM 2005 noch nie gewonnen. An der letzten WM war Bischofberger 2017 in der Sierra Nevada zwar der beste Schweizer, aber nur auf dem zehnten Platz.

Die Reifeprüfung nach der perfekten Saison

Das war nicht nach seinem Geschmack. «Wir haben eindeutig Nachholbedarf. Mein Saisonziel ist der Gewinn einer WM-Medaille. Noch wichtiger ist allerdings, dass ich verletzungsfrei bleibe. Im Gesamtweltcup will ich unter die ersten drei», sagt Bischofberger. Die Ziele seien hoch gesteckt, findet Bischofberger. Aber für etwas ist er ja Profi geworden. Um nach der perfekten Saison die Reifeprüfung zu bestehen.