Ein Argentinier entscheidet das Fussballspiel zwischen den Mailänder Mannschaften Inter und Milan im Alleingang. Nach dem Sieg gegen den Stadtrivalen will Inter an die guten alten Zeiten anknüpfen.
Lukas Plaschy, Rom
Intensiv, spannend, laut und dramatisch. So verlief am Sonntagabend das «Derby della Madonnina» zwischen den Fussballmannschaften Inter und Milan, benannt nach dem Symbol der Stadt, dem Dom. Das ausverkaufte San Siro bescherte dem Heimclub Inter einen Einnahmenrekord von 4,8 Millionen Euro. Die Schlagzeilen gehörten danach vor allem Inters argentinischem Stürmer Mauro Icardi. Der Captain erzielte alle drei Tore für die «Nerazzurri». Den 3:2-Siegtreffer in der 90. Minute mittels Penalty, nachdem der Schweizer Ricardo Rodriguez einen Gegenspieler zurückgehalten hatte.
Mit dem besten Saisonstart seit 2002 untermauert der Internazionale FC eindrücklich seine Titelambitionen. Nur zwei Punkte beträgt der Rückstand des 18-fachen italienischen Meisters auf Serie-A-Leader Napoli, der alle seine acht Meisterschaftsspiele gewonnen hat. Am nächsten Wochenende kommt es in Neapel zum Spitzenspiel. Inters Cheftrainer Luciano Spalletti dämpft allerdings die Erwartungshaltung: «Es ist schön, da oben in der Tabelle zu stehen. Aber um die Mentalität eines Teams zu verändern, braucht es Zeit», so der 58-jährige Toskaner, der in der vergangenen Saison die AS Roma auf den zweiten Platz der Tabelle geführt hatte.
Ganz anders hingegen der Gemütszustand im kritischen Umfeld der AC Milan. Das verlorene Derby war bereits die dritte Niederlage hintereinander und die vierte in acht Spielen. Damit können die «Rossoneri» ihren Träumen von der Champions League wohl bereits im Oktober «Arrivederci» sagen. Milans Trainer Vincenzo Montella gibt sich aber weiterhin kämpferisch. Seine Systemumstellung vom in der vergangenen Saison noch hochgelobten 4-3-3 zu einem 3-5-2 hat das Team mehr verunsichert als stabilisiert. Sportdirektor Massimiliano Mirabelli stärkte seinem Coach zwar den Rücken: «Das Team braucht Zeit.» Montellas Konditionstrainer wurde aber schon vor dem Derby ausgewechselt. Und nun stellt sich die Frage, wie lange die chinesischen Besitzer, die im Sommer über 200 Millionen Euro für neues Personal ausgegeben haben, den unbefriedigenden Resultaten noch zuschauen. Wegen den Vorgaben der Uefa bezüglich Financial Fair-Plays wäre eine Champions-League-Qualifikation für den siebenfachen Meistercupsieger Pflicht.
Milans früherer Besitzer Silvio Berlusconi löste zusätzliche Polemik aus. Der ehemalige italienische Premierminister holte zum Rundumschlag gegen den Verein aus, dessen Geschicke er über 30 Jahre lang erfolgreich geleitet hatte. Berlusconi hätte die 200 Millionen Euro für insgesamt elf neue Spieler lieber in ein bis zwei Topstars investiert. Aber auch Montella bekam vom mittlerweile 81-jährigen Politiker sein Fett ab. Warum, so Berlusconi, würden mit dem Spanier Suso und dem Einheimischen Bonaventura die beiden technisch talentiertesten Spieler meistens nur auf der Bank sitzen? Dass mit Leonardo Bonucci ausgerechnet eine ehemalige Symbolfigur des Rivalen Juventus Turin die Captainbinde trägt, stiess Berlusconi ebenfalls sauer auf.
Während seiner Präsidentschaft hatte Berlusconi den Traditionsverein in erster Linie als perfekte Propagandamaschine für seine politischen Ambitionen gesehen. Bis zu einem Prozentpunkt mehr Wähleranteil brachten ein Europacupsieg oder ein Meistertitel seiner Partei «Forza Italia» ein. Und wenn der Chef das Gefühl hatte, es prickle zu wenig im Stadion, konnte es durchaus vorkommen, dass Berlusconi renommierten Trainern wie Fabio Capello oder Carlo Ancelotti eigenhändig auf selbstskizzierten Taktikzetteln vorschrieb, wie sie die Mannschaft aufzustellen hätten.