Der verlorene Sohn kommt nach Hause zurück: Kevin Schläpfer wird bald Sportchef beim EHC Basel. Doch bis zum 1. Mai hat er ein problematisches Doppelmandat.
Es gibt also doch noch ein bisschen Hockey-Romantik. Der verlorene Sohn kehrt heim. Kevin Schläpfer (52) wird mit einem Mehrjahresvertrag Sportchef beim EHC Basel. Im Sommer 1988 hat er diesen Klub verlassen, um die helvetische Hockeywelt zu erobern. Nun kehrt er nach Stationen in Lugano, Olten, Zug (1990 bis 1992), Lausanne, Langnau, Chur, Biel und Langenthal und 34 Jahren heim nach Basel.
Basel ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Wenn er sagt, wie sehr er sich auf diese neue Herausforderung freue, dann sind es nicht einfach die freundlichen Worte, die sich in so einem Moment gehören. Er meint es so. Über die Jahre hat er immer wieder mal in melancholischen Momenten über «sein» Hockey-Basel gesprochen. Darüber, dass doch dort etwas zu machen sein müsste. Dass dort ein Potenzial schlummere, das geweckt werden könnte. Seine Heimat ennet dem Hauenstein hat er während seiner Tätigkeit in der Fremde bloss temporär verlassen. Sein Lebensmittelpunkt war immer das Baselbiet und in Sissach hat er am Sonnenhang ein schönes Haus bauen lassen. Auf dem Weg von dorthin zur Arbeit in Biel und Langenthal ist er regelmässig in Radarfallen geraten. Auch das gehört zur Hockey-Romantik.
Kevin Schläpfer ist einer der letzten Hockey-Romantiker: Er lebt Hockey. Kein Mann der Theorie. Computer verabscheut er. Büroarbeit ist für ihn die Höchststrafe und all das moderne Laptop-Zeugs mag er nicht. Er vertraut auf sein Gespür für Menschen, auf seine Begeisterungsfähigkeit, auf sein Charisma. Getäuscht hat er sich bis heute als Sportchef bei der Rekrutierung von Trainern und Spielern selten. Also der richtige Mann, um in Basel etwas zu bewegen.
Wenn Kevin Schläpfer per Ende Saison den SC Langenthal (und das Bernbiet) verlässt, wird Bilanz gezogen. Was hat er dem Berner Hockey gebracht? Immerhin ist er mit Langnau aufgestiegen (1998) und mit Biel den langen Weg von der NLB in die höchste Liga und von einem baufälligen Stadion in einen Hockeytempel gegangen. Er war in Biel Captain (in der NLB), später Sportchef und Trainer und zeitweise beides. Für alle Zeiten wird er in Biel als «Hockeygott» verehrt. Aber die Frage muss lauten: Was verdankt Kevin Schläpfer der Berner Hockeykultur? Er konnte nur im Bernbiet, ja vielleicht sogar nur in Biel werden, was er heute ist. Weil ganz besonders in Biel, Hockey auf eine ganz besonders familiäre Art und Weise gelebt wird. Wo ein Mann, der sein Herz auf der Zunge trägt, Unterstützung und Vertrauen findet und dafür gleich einem Dynamo Energie, Dynamik, Emotionen in eine Hockey-Organisation bringt. Es ist kein Zufall, dass er in Klotens Abstiegssaison als kurzzeitiger Nottrainer gescheitert ist.
Wird Kevin Schäpfer in Basel so funktionieren wie in Biel und Langenthal? Die Basler haben ihn in eine unmögliche Lage gebracht. Wie soll er nun bis am 1. Mai 2023 als «doppelter Sportchef» seinen Job in Langenthal machen? Einen Spieler noch für Langenthal verpflichten, den er eigentlich nächste Saison lieber in Basel hätte? Oder einen Nonvaleur in Langenthals Kabine holen, um einen Liga-Konkurrenten zu schwächen? Er sagt: «Das ist kein Problem. Ich kann das sehr gut auseinanderhalten.» Er werde den Job in Langenthal gewissenhaft zu einem guten Ende bringen. «Ich habe hier ja viele Freunde und die bleiben übers Hockey hinaus.» Auch Langenthals Präsident Gian Kämpf mag nicht polemisieren und sagt: «Das regeln wir schon.» Dieses ungewollte temporäre «Doppelmandat» als Sportchef in Langenthal und künftiger Sportchef in Basel ist sehr wohl ein Problem. Es könnte mit einem Knall enden.
Keine Frage: Kevin Schläpfer wird Basel sehr guttun und bald Träume von einem Aufstieg in die National League wecken. Aber wird Basel Kevin Schläpfer guttun? Wird er die Leidenschaft, die Unterstützung, das Vertrauen finden wie zuvor in Biel und bis vor einigen Monaten in Langenthal? Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht. Einer der letzten Hockey-Romantiker kommt in eine Stadt ohne Hockey-Romantik. Wenn er an einem schönen Abend von der Terrasse seines Hauses in Sissach den Blick Richtung Bernbiet wendet, wird er ab und an seufzen: «Ach, waren das herrliche Zeiten damals in Biel und Langenthal…»