Am 26. Dezember kämpft Zino Meuli in der Bodensee-Arena um einen WM-Titel. Auf dem Weg dahin verfolgt Meuli eine eiserne Diät – und ignoriert gleichzeitig seine Zukunft als Boxer.
An Heiligabend geniessen Herr und Frau Schweizer Schinkli, Fondue Chinoise oder Raclette. Für Zino Meuli gibt es derweil nicht einmal einen Schluck Wasser. Zwei Tage vor seinem Kampf gegen den Tschechen Josef Zahradnik um den WM-Titel der World Boxing Federation tut Meuli das, was andere für die Zeit nach den Feiertagen predigen: fasten. Der 26-Jährige darf morgen, beim Wiegen der beiden Kontrahenten, nicht mehr als 66,678 Kilo wiegen. 9,5 Kilo hat Meuli auf den Kampf hin abnehmen müssen.
Acht Tage vor dem Wiegen hat der in St. Gallen wohnhafte Thurgauer rund viereinhalb Kilo geschafft. Wie verliert man fünf Kilo in einer Woche? Der Profiboxer nippt gelassen an seinem Grüntee und gönnt sich gar den Keks, der dazu serviert wurde, bevor er antwortet. Es gebe drei Phasen, um das Kampfgewicht zu erreichen: Die ersten zwei, drei überflüssigen Kilos, die jeder Mann oder jede Frau habe, verliere er bei seinem Trainingsaufwand in ein, zwei Wochen. Diese Kilos schmerzten nicht, sagt Meuli. Anschliessend kommt die härteste Phase: «Du bist schon dünn und musst noch mehr abnehmen.»
Die Trainingsintensität wird beibehalten, während die Kalorienzufuhr reduziert wird. Zum Schluss, wenige Tage vor dem Kampf, tritt Meuli in die dritte Phase ein. Kurz vor dem Wiegen, das morgen, am Tag vor dem Kampf stattfindet, wird der Körper noch entwässert. Dabei nehme er in zweieinhalb bis drei Stunden rund 2,5 bis drei Kilo durch Schwitzen ab, sagt er. Dazu steigt Meuli in einen luftdichten Plastikanzug, über den er einen Trainingsanzug anzieht.
Danach macht er Gymnastik und lockere Übungen wie Schattenboxen und Seilspringen. Kaum von der Waage, rückt die Nahrungsaufnahme im Hinblick auf den Kampf wieder in den Vordergrund. Dieses Abnahmeprozedere läuft genau so auch bei den Vollprofis ab, denen sich Meuli über die Jahre in jeder Hinsicht immer mehr angenähert hat. Der Ostschweizer, der derzeit bei einem IT-Unternehmen 80 Prozent arbeitet, sagt:
«Heute fehlt mir in Sachen Training nichts mehr zu einem absoluten Top-Mann. Was mir natürlich fehlt, ist die Zeit.»
Der Frage, ob er selbst einmal Vollprofi werden will, weicht er aus: «Ich schaue nur von Kampf zu Kampf.» Er sei Realist und wisse, wie schwer es sei, Vollprofi zu werden.
Im Falle eines Sieges übermorgen gegen Zahradnik stünde dieser Schritt aber alleweil im Raum. So mutet die Situation vor dem WM-Kampf merkwürdig an: Einerseits äussert der noch ungeschlagene Meuli unbedingten Siegeswillen und die Bereitschaft, ans absolute Limit zu gehen. Andererseits betont der Thurgauer aber auch, wie wichtig ihm die Zweispurigkeit Boxen und Beruf sei, und zeichnet die Unwägbarkeiten einer Boxerkarriere präzise vor. So talentiert Meuli als Boxer auch sein mag, er scheint zu sehr Realist, als dass er sich auf das Wagnis Vollprofi einlassen würde. Wer weiss, vielleicht ändert der nächste Kampf etwas an diesem Denken.
Zino Meuli boxt am 26. Dezember um rund 19.30 Uhr in der Kreuzlinger Bodensee-Arena im Rahmen des «Boxing-Day» um den WM-Titel der World Boxing Federation (WBF) im Weltergewicht. Der WBF wurde vor 40 Jahren gegründet und ist heute einer von zahlreichen kleineren, unbedeutenden Boxverbänden. Gegen den 32-jährigen Tschechen Josef Zahradnik ist Meuli auf dem Papier deutlich zu favorisieren. Während Meuli nach zwölf Kämpfen noch ungeschlagen ist und sechsmal durch K. o. gewann, steht Zahradnik bei zehn Siegen, fünf davon durch K. o., und einer Niederlage. (pw)