Riesenslalomspezialist Cédric Noger ist dem Hochgefühl auf der Spur

Der Wiler Skirennfahrer absolvierte mit 27 Jahren seine erste Weltcup-Saison. Sie endete abrupt.

Ives Bruggmann
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Cédric Noger fuhr in sechs von sieben Riesenslalomrennen in die Weltcuppunkte.

Cédric Noger fuhr in sechs von sieben Riesenslalomrennen in die Weltcuppunkte.

Bild: Ralph Ribi

Endlich war es wieder da: Das Gefühl, das Cédric Noger braucht, um schnell Ski zu fahren. Der Wiler beschreibt diesen Zustand als eine Art Grundvertrauen in seine Fähigkeiten. Er steht sich dann nicht selber im Weg, greift voll an. In diesen Momenten passt beim Ostschweizer alles zusammen: Material, Kopf und Physis.

Diesen Wunschzustand erreichte Noger in seiner ersten kompletten Weltcup-Saison als Riesenslalomspezialist erst im sechsten Rennen im japanischen Niigata, als er trotz eines Fehlers im ersten Lauf als 19. sein Saisonbestergebnis herausfuhr. «Bis dahin war es für mich wie Roulette zu spielen», sagt das Mitglied des Skiclubs Speer Ebnat-Kappel. Will heissen: Einmal funktionierte es etwas besser, einmal etwas schlechter. Die Grundstimmung des 27-Jährigen ist dann jeweils eher negativ. Zwar fuhr Noger in den ersten fünf Rennen viermal in die Punkte. Doch die Art und Weise war dem ehrgeizigen Ostschweizer zu wenig. «Das regt mich dann auf.» Oft intensiviert Noger in diesen Zeiten das Training noch einmal, erarbeitet sich das gute Gefühl über den Umfang.

Mit Startnummer 28 auf Zwischenrang 13

Nach dem Rennen in Japan fühlte es Noger: «Das, was mich schnell macht, hatte ich wieder.» In Hinterstoder legte er voller Selbstvertrauen nach. Im ersten Durchgang gelang ihm der beste Lauf der Saison: Mit der Startnummer 28 preschte er auf den 13. Rang vor. Das gelang keinem Fahrer in dieser Region der Startliste auch nur annähernd. Durch einen Fehler im zweiten Lauf vergab Noger das langersehnte Top-Ergebnis zwar, doch das Hochgefühl war wieder zurück. Ausgerechnet vor seinem Lieblingsrennen in Kranjska Gora – in Slowenien fuhr er 2019 sensationell auf Platz vier – endete die Saison wegen des Coronavirus abrupt. «Im ersten Moment fand ich es extrem schade, dass die Saison fertig ist, weil ich in Form war», sagt Noger. Schnell hat er aber das Ausmass der Situation erkannt und akzeptiert. Sein Fazit lautet: «Ich habe mir mehr erhofft.» Das Minimalziel habe er mit Platz 29 in der Riesenslalomwertung und der damit verbundenen Verteidigung des Platzes im A-Kader von Swiss-Ski zwar erreicht. Aber der Weltcup-Fahrer sagt:

«Wenn du weisst, was du kannst, willst du das immer wieder.»

Seit der Ausgangsbeschränkung weilt Noger im österreichischen Längenfeld, wo er bei seiner Freundin wohnt und zugleich seine Trainingsbasis hat. Als dann in Tirol die Ausgangssperre eingeführt wurde, sass der Ostschweizer mehrere Wochen in der Wohnung fest. Zuerst hatte er sich vorgenommen, sich nach der Saison zwei Wochen zu erholen. Aber nach nur einem Tag überlegte sich es Noger wieder anders, die Langeweile nahm überhand. «Ich beschloss, die Vorbereitung auf die kommende Saison in Angriff zu nehmen.» Seither spult der Wiler sein tägliches Pensum ab, radelt auf dem Heimvelo im Keller und arbeitet an der Rumpfmuskulatur. Die Ferien liegen wegen des Coronavirus erst einmal in weiter Ferne. «Ich glaube nicht daran, dass ich bald an einem Strand sitzen werde.»

Gestiegene Erwartungshaltung

Für den 27-Jährigen war die erste komplette Weltcup-Saison eine neue Erfahrung. Durch seinen Status als A-Kader-Faher und seine glänzenden Resultate aus der Vorsaison hat sich die Erwartungshaltung verändert – vor allem die eigene. Damit musste der Gefühlsmensch Noger zurechtkommen. Plötzlich hatte er etwas zu verlieren: seinen Startplatz unter den besten 30 Fahrern. «Ich habe viel mit meinem Mentaltrainer gearbeitet, um diese negativen Gedanken kanalisieren zu können», sagt er. Dazu kam, dass er sich in der neuen Trainingsgruppe plötzlich mit Weltklassefahrern wie Marco Odermatt oder Loïc Meillard vergleichen musste. «Das Niveau ist extrem hoch. Da bist du schnell einmal zwei Sekunden hinten.» Aber von den Spitzenathleten könne er auch profitieren. Doch Noger ist ehrlich:

«Vom Training in der Weltcup-Gruppe habe ich mir schon ein wenig mehr erhofft.»

Einen Höhepunkt abseits der Skipiste erlebte der ehemalige Fussballgoalie im Dezember. Er durfte bei seinem Herzensclub, dem FC St.Gallen, ein Torhütertraining absolvieren. Noger fiebert seit vielen Jahren mit Grünweiss mit. «So toll wie in diesem Jahr haben die St.Galler noch nie gespielt. Das entschädigt für vieles», sagt der Inhaber zweier Saisonkarten. Doch gerade als es gut lief, kam das Coronavirus. Anders als bei Noger besteht beim FC St.Gallen noch die Hoffnung, dass die Saison fortgeführt wird.