Schon bei Halbzeit des WM-Winters haben die Schweizer Skirennfahrerinnen und Skirennfahrer mit sieben Siegen die Marke aus dem Vorjahr übertroffen. Vor allem das Beispiel Carlo Janka zeigt aber, dass Swiss Ski weiter auf professionelle Arbeit an der Basis angewiesen ist. Von Patricia Loher
Wengen platzte aus allen Nähten. Mit insgesamt 52 500 Zuschauern verzeichneten die Organisatoren der 79. Lauberhorn-Rennen einen Rekord, nachdem eine Woche zuvor schon an den zwei Tagen in Adelboden 37 000 Anhänger für eine Bestmarke verantwortlich gewesen waren. Die Schweizerinnen und Schweizer haben die Freude an ihren Skifahrerinnen und Skifahrern zurückgewonnen. Vier Jahre nach der medaillenlosen WM in Bormio ist die Schweiz wieder eine Nation, die den Österreichern die Stirn bieten kann.
War die Bilanz zum Auftakt der Berner Oberländer Rennwochen mit einem vierten Rang als bestem Resultat noch durchschnittlich, trumpften die Männer wenige Tage später gross auf: Der junge Carlo Janka gewann in Wengen die Superkombination ebenso überraschend wie der routinierte Didier Défago den Klassiker. Und im österreichischen Zauchensee setzte Dominique Gisin am Sonntag mit ihrem Erfolg in der Abfahrt ein Ausrufezeichen. Die Engelbergerin war verantwortlich dafür, dass das Schweizer Frauenteam am Wochenende nicht im Schatten der Männer verharren musste. Bei Halbzeit der Weltcup-Saison und zwei Wochen vor der WM in Val d'Isère darf Swiss Ski bereits sieben Siege verbuchen. Die Marke aus dem Vorjahr mit sechs Erfolgen ist schon Mitte Januar übertroffen. So erfolgreich waren die Schweizer seit der Saison 2000/01, als Michael von Grünigen und Sonja Nef Seriensiege feierten, nie mehr.
Was in einer Zwischenbilanz vor allem positiv auffällt: Die sieben Siege wurden durch Daniel Albrecht (2), Carlo Janka (2), Didier Défago, durch Lara Gut und Dominique Gisin herausgefahren. Mit Didier Cuche oder Silvan Zurbriggen sowie Fabienne Suter und Andrea Dettling verfügt die Schweiz zudem über Fahrer und Fahrerinnen, die sich in diesem Winter schon auf dem Podest oder in dessen Nähe klassierten. Die Spitze ist breiter geworden. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen ist es immer möglich, dass jemand einspringt, wenn ein anderer die Erwartungen nicht erfüllt. Im Hinblick auf die WM ist die Ausgangslage deshalb vielversprechend. Im Vergleich: Im Vorfeld der WM in Are 2007 lastete der Druck vor allem auf Didier Cuche und Bruno Kernen.
Vor allem bei den Männern hat sich dank einer begabten jungen Generation eine gute Dynamik entwickelt. Routiniers wie Didier Cuche oder Didier Défago spüren den Vorwärtsdrang von jungen Athleten wie Daniel Albrecht, Carlo Janka, Sandro Viletta, Marc Gini oder Marc Berthod. Keiner will hinten anstehen. Diese Voraussetzungen schützen Fahrer, die den Tritt nicht finden, weil der Fokus weniger auf sie gerichtet ist. So fällt, zumindest in der Öffentlichkeit, weniger ins Gewicht, dass sich die Schweizer im Slalom derzeit schwertun.
Bei den Frauen helfen Dominique Gisin, Lara Gut und Fabienne Suter mit, die kriselnden Fränzi Aufdenblatten, Nadia Styger oder Martina Schild von Kritik und Druck zu verschonen. Weil die drei im Schatten stehen, können sie in Ruhe versuchen, ihre Probleme zu beheben. Vor allem aber beginnt sich die Kontinuität im Trainerstab auszuzahlen. Seit Martin Rufener bei den Männern 2004 und Hugues Ansermoz 2006 bei den Frauen die Chefpositionen innehaben, ist Ruhe eingekehrt, hat sich in den Betreuerteams nur wenig verändert. Ihre Philosophien sind bekannt, das hilft den Athleten und Athletinnen vor und während der Saison.
Vor allem aber das Beispiel des jungen Bündners Carlo Janka zeigt auf, dass Swiss Ski weiterhin auch auf die professionelle Arbeit an der Basis angewiesen ist. Auf Skiclubs, die ihre Verantwortung wahrnehmen. Der Skiclub Obersaxen, dem Carlo Janka angehört, beschäftigt dank Sponsoren mit Pius Berni einen professionellen Trainer. Der 22jährige Carlo Janka, dessen 19jährige Schwester Fabienne ebenfalls zu den hoffnungsvollen Nachwuchsfahrerinnen gehört, konnte so einen anderen Weg gehen als viele Nachwuchsfahrer. Er durfte zu Hause bleiben, dort die KV-Lehre absolvieren und trotzdem unter professionellen Bedingungen trainieren. Carlo Janka musste nie in Betracht ziehen, in ein Skigymnasium zu wechseln.
Natürlich stimmt, wenn Direktor Hansruedi Laich sagt, es sei einfacher, an die Weltspitze zu kommen, als sich dort dann auch zu behaupten. Die WM in Frankreich in zwei Wochen wird aufzeigen, wie weit die jungen Schweizerinnen und Schweizer tatsächlich schon sind. Aber zumindest die Basis ist gelegt. Dafür dankbar sind auch die Routiniers.