Ich bin ein bekennender Liebhaber der deutschen Sprache. Auch wenn sie nur in einem geografisch eng abgesteckten Raum angewendet wird, von Deutschland über Österreich zur Schweiz, dazu noch in ein paar Enklaven.
Deutsch hat weder den malerischen Klang des Italienischen, wobei ich vermute, dass die schönen Urlaubserinnerungen unseren Eindruck positiv konnotieren, noch das singende Element des Französischen. Deutsch ist klar, knapp und konzis. Lange Zeit habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob Deutsch weniger reich ist als andere Sprachen.
Im Englischen differenziert man «heaven» und «sky». Heaven aus dem Geistlichen, Sky für den nüchternen «Himmel». Aber auch das Deutsche hat solche Differenzierungen in petto, und zwar das Firmament als Pendant zu «heaven».
Ich schreibe diese Kolumne aber aufgrund einer anderen Erfahrung. Vor gut einer Woche war ich an einem Fotoshooting. Und siehe da, ich verwende auch schon Anglizismen, denn eigentlich heisst es Fototermin. Würde ich das Wort gebrauchen, hätte ich wohl lange Gesichter evoziert.
Zurück zum Shooting: Als ich nun da war und dem bekannten Fotografen, dem Kunden und dem Modell zugehört habe, verstand ich zeitweilen quasi gar nichts. Ich fragte mich, ob ich mit meinen knapp 50 Jahren nun vollends aussen vor bin, wenn es um die Verständigung an einem Set geht. «No front», sagte der Fotograf und erklärte mir nach meiner Rückfrage, dass es «nicht verletzend» bedeutet.
Oder «random» fiel in jedem vierten Satz und hiess so viel wie «aus dem Zusammenhang gerissen». «Das Bild ist ‹safe›», konnte ich knapp verstehen – «sicher und gut.» Als sie das Model dann aber mit «der sieht drip aus» beschrieben, wurden meine Augen vor Erstaunen immer grösser, denn es bedeutet, dass jemand sehr gut gekleidet und schick daherkommt. Mein Nachmittag wurde also zur Sprachschule im Neudeutschen. Und als ich vorschlug, dass wir uns in den nächsten Tagen zu einer Besprechung der Ergebnisse treffen sollten, kam postwendend die Frage: «Du meinst, wir machen ein Meeting …?»
Natürlich ist unsere Sprache gefüllt mit Angli- und Gallizismen sowie lateinischen Wortstämmen. Ich bemühe mich trotzdem darin, hie und da die Frage zu stellen, ob es nicht auch ein deutsches Wort dafür gibt. Noch fast beklemmender finde ich die Reduktion auf Wortfragmente.
Beim Vorbeigehen an einer Gruppe Jugendlicher in Zürich höre ich «Gömer Bahnhof», was wohl soviel heisst wie: «Gehen wir zum Bahnhof.» Kurz und knapp ist gut und vielleicht auch oft zielführend. Trotzdem finde ich kaum Gefallen an derartigen Formulierungen und kann sehr gut damit umgehen, wenn ich fortan als sprachlich zurückgeblieben gelte.
Vielleicht stammen solche sprachlichen Reduktionen wie «Gömer Bahnhof» als Übersetzungsgut von Emojis? Ich weiss es nicht und versuche zumindest zu verstehen, was um mich gesprochen wird, auch wenn es nicht mehr viel mit Deutsch zu tun hat.
Pascal Froidevaux, Verwaltungsrat S:Stebler AG, Oensingen