Aus Gäuer Sicht
Demokratische Entscheide gilt es zu akzeptieren – auch wenn sie knapp sind

Beat Nützi, ehemaliger Chefredaktor Oltner Tagblatt
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Je umstrittener Abstimmungsvorlagen sind, desto knapper und unterschiedlicher können die Resultate ausfallen, so unser Kolumnist Beat Nützi.

Je umstrittener Abstimmungsvorlagen sind, desto knapper und unterschiedlicher können die Resultate ausfallen, so unser Kolumnist Beat Nützi.

Bruno Kissling

Im Gäu freute man sich über den Vertrauensbeweis für die hiesige Landwirtschaft durch die deutliche Ablehnung der übertriebenen Initiative gegen Massentierhaltung vor gut einer Woche. Das Verdikt war eindeutig: Auf allen vier Ebenen, in meiner Wohngemeinde Wolfwil, in meinem Wohnbezirk Gäu, in meinem Wohnkanton Solothurn und landesweit resultierte ein klares Nein.

Anders bei Vorlage zur teilweisen Abschaffung der Verrechnungssteuer: Hier mussten die Wolfwiler Stimmenden, die mehrheitlich Ja sagten, zur Kenntnis nehmen, dass in Bezirk, Kanton und Bund ein Nein resultierte. Noch wechselseitiger fielen die Ergebnisse zur AHV-Revision mit Zusatzfinanzierung über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus: Meine Wohngemeinde sagte durch die Ablehnung der Finanzierungsvorlage Nein, im Bezirk ergab sich ein Ja, im Kanton ein Nein und auf Bundesebene ein Ja.

Fazit: Je umstrittener Abstimmungsvorlagen sind, desto knapper und unterschiedlicher können die Resultate ausfallen. Das ist das Wesen unserer direkten Demokratie.

Zu unserer Demokratie gehört ebenfalls, dass Ergebnisse von Wahlen und Abstimmungen respektiert werden, auch wenn sie knapp ausfallen. Umso fragwürdiger mutete der Protest linker Frauen gegen den Volksentscheid zur AHV-Reform einen Tag nach der Abstimmung in Bern an.

Bürgerliche Frauen und eine Mehrheit von Männern, die der Reform an der Urne zum Durchbruch verholfen haben, wurden verunglimpft. Das ist unschön und unfair. Vor allem auch das gendergetriebene Buddeln am Geschlechtergraben hauptsächlich durch Frauen aus dem rot-grünen Lager. Schliesslich kann es immer wieder vorkommen, dass eine Geschlechtermehrheit die andere überstimmt.

So haben bisher in zwölf Abstimmungen auch die Frauen die Männer überstimmt: Fristenlösungs-Initiative (1978), Ehe- und Erbrecht (1985), Atom-Moratorium (1990), Antirassismus-Strafnorm (1994), Kulturförderungsartikel (1994), Lex Friedrich (1995), Gegen illegale Einwanderung (1996), Arbeitslosenversicherungsgesetz (1997), Elektrizitätsmarktgesetz (2002), Unverjährbarkeits-Initiative (2002), Gripen-Beschaffung (2014), Jagdgesetz (2020).

Wer Andersdenkende verunglimpft und gegen Volksentscheide demonstriert, untergräbt unsere Demokratie. Das ist gefährlich, vor allem in einer Zeit, in der sich die ganze Welt hinsichtlich politischer Systeme in einem Wettstreit befindet zwischen demokratischen und autokratischen Ordnungen. Die Autokraten dieser Welt sammeln gerne Beispiele, die ihnen Argumente gegen demokratische Strukturen liefern.

Gerade weil die Schweiz betreffend Demokratie eine Vorbildrolle hat und diese bewahren soll, muss sie zu deren Grundregeln Sorge tragen. Dazu gehört die vorbehaltlose Respektierung von Volksentscheiden. So verleiht man der Demokratie Glaubwürdigkeit und bleibt handlungsfähig. Auch wenn die Demokratie nicht über alle Zweifel erhaben ist, gilt, was Winston Churchill einmal scherzhaft meinte: «Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, abgesehen von allen anderen.»

Zweifelsohne ist es für Direktbetroffene und Verantwortliche nicht immer einfach, Volksentscheide zu akzeptieren. Zum Beispiel beim Urnengang vom vergangenen 25. September neben dem AHV-Entscheid auch die kommunalen Nein zum neuen Kunstmuseum in Olten sowie zu neuem Schulraum in Neuendorf.

Entscheidend ist, dass sich nach geschlagener Abstimmungsschlacht Gegner und Befürworter wieder finden, um in konstruktivem Geist Volksverdikte gemeinsam umzusetzen und gegebenenfalls neue, mehrheitsfähige Lösungen zu suchen. So wie es sich für gute Demokratinnen und Demokraten geziemt.

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