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Solothurn
Lebern-Bucheggberg-Wasseramt
Seit rund 100 Tagen amtet Christoph Siegel als Gemeindepräsident von Balm bei Günsberg. Obwohl er schon mehrere Jahre im Gemeinderat tätig war, spürte er die zusätzliche Belastung als Präsident.
Herr Siegel, wir treffen uns hier in der Zivilschutzanlage, die gleichzeitig auch das Gemeindehaus ist, aber Sie arbeiten normalerweise zu Hause?
Christoph Siegel: Ich arbeite für die Gemeinde auch ohne Coronakrise im Homeoffice.
Sie sind schon etwas mehr als 100 Tage im Amt. Haben Sie etwas anderes erwartet, als was Sie angetroffen haben?
Ich bin schon sieben Jahre im Gemeinderat, und weil wir nur zu dritt sind, verteilt sich die Arbeit auf wenige Schultern. Ich habe schon vorher viele Geschäfte selber bearbeitet oder in viele Geschäfte Einblick erhalten. Wir haben hier auch kein Parteiensystem. Alle Mitglieder und Ersatzmitglieder des Gemeinderates bilden zusammen die sogenannte «Gemeinsame Liste GR Balm». Die Geschäfte werden laufend direkt im Gemeinderat beraten. Was wirklich neu ist, ist die Präsidiumsarbeit.
Wie gross ist die zusätzliche Belastung?
Ich spüre diese schon. Viele Themen sind neu, da musste ich mich einarbeiten.
Das unterschätzt man gerne.
Es ist eine ungeheure Papierflut, vor allem von Seiten des Kantons aber auch von anderen Institutionen, die einfach an die Adresse Gemeindepräsidium Balm verschickt wird. Alle Gemeinden erhalten dasselbe. Man wird einfach bedient wie eine Stadt oder eine grössere Gemeinde, die eine Verwaltung hat.
Christoph Siegel, 50 Jahre, lebt seit 2006 in Balm mit seiner Frau und zwei Kindern. Seine Vorfahren väterlicherseits stammen aus dem süddeutschen Raum. Siegel unterrichtet in einer 100-Prozent-Anstellung Mathematik und Physik an der Kantonsschule Solothurn. Das Gemeindepräsidium ist ein Nebenamt mit einem Pensum von 10 Prozent. Wer denkt, das reicht, erfährt von ihm noch von seinem Engagement als Cellist im Stadtorchester Grenchen und im Stadtorchester Solothurn sowie als Feuerwehrratspräsident. Sein anderes Hobby, die Astronomie, erhält aktuell keine Aufmerksamkeit.
Als gebürtiger Grenchner war er früher lange Mitglied des Vereins Jura-Sternwarte. Ursprünglich wollte er Astronomie studieren, geworden ist daraus ein Studium in Physik und Mathematik in Bern. In seiner Doktorarbeit untersuchte und entwickelte er Laser im Wellenlängenbereich von weichen Röntgenstrahlen. Schon früh unterrichtete er neben dem Studium an der Kantonsschule Solothurn. «Letztes Jahr durfte ich mit dem Regierungsrat mein 25-Jahr-Jubiläum feiern. Ich habe mit einem kleinen Pensum angefangen, aber das wird dazugezählt.» Nach der Demission der früheren Gemeindepräsidentin Pascale von Roll wegen Wegzugs, hat sich Siegel zur Verfügung gestellt, das Amt zu übernehmen, das er seit dem 31. März führt. (uby)
Das tönt nach viel Pflichtstoff.
Nein, nein, das ist der eher mühsamere Teil, aber was ich sehr schätze, jetzt aber Corona-bedingt zu kurz kommt, sind die Kontakte über die Gemeinde hinaus. Beispielsweise die Gemeindepräsidentenkonferenzen. So bekomme ich einen vertieften Einblick in Themen und Gelegenheit, über die Gemeindegrenzen hinaus zu schauen. Für uns als Kleinstgemeinde, ohne Feuerwehr oder Schule und dementsprechend Mitglied in diversen Zweckverbänden wie GSU, GWUL, Feuerwehr, sind diese Kontakte wichtig.
Eigentlich wäre der Schritt zur Fusion ein kleiner, vernetzt wie Sie bereits sind?
Weil die Fusion vor neun Jahren nicht zu Stande kam, sitze ich jetzt hier. Wir haben das probiert. Ich sass noch nicht im Gemeinderat. Ich hatte aber das Gefühl, die Haltung der Balmerinnen und Balmer war tendenziell offen. Die Fusion ist später ja nicht wegen uns gescheitert. Die Botschaft des damaligen Gemeinderates war klar: Wollen wir selbstständig bleiben, brauchen wir Leute, die mitziehen. Zu einer darauffolgenden Sitzung von Interessierten kamen dann 24 Personen, also über 10 Prozent der Bevölkerung. Das war ein gutes Zeichen.
Es gibt Gemeinden in den Bergen, die weniger exponiert liegen als Balm. Was bedeutet dieser Umstand für die Gemeinde?
Das Gemeindegebiet ist schon sehr gross. Einerseits haben wir rund 200 Einwohnerinnen und Einwohner, andererseits eine Fläche von 5,5 Quadratkilometer vom Reservoir Niederwil im Süden bis Krüttliberg auf der Rückseite des Balmbergs im Norden und im Osten von der Chambenflüe bis zur Röti im Westen. Der Balmberg gehört selbstverständlich auch dazu.
Welche Herausforderungen sind damit verbunden?
Etwa der Bereich Erschliessung mit Wasser, Abwasser und Telefon. Hier hat sich die Gemeinde schon sehr früh entschieden, dass der Balmberg zum Erschliessungsgebiet von Balm gehört. Verpflichtet ist eine Gemeinde, alles innerhalb der Bauzone zu erschliessen. Was aber ausserhalb liegt, müsste nicht von der Gemeinde, sondern von privater Seite erschlossen werden. Das ist ein Stück weit auch ein Akt der Solidarität innerhalb der Gemeinde.
Eine Herausforderung ist auch das Reservoir auf dem Balmberg, das 1946 gebaut wurde.
Dieses haben wir in den letzten Jahren saniert für rund 380'000 Franken. So viel ich weiss ist das Reservoir auf 1150 Meter über Meer mit 250 Kubikmetern eines der grössten im Jura in dieser Höhe überhaupt. Seit 1. Januar 2020 haben wir die Gruppenwasserversorgung Unterer Leberberg (GWUL) reorganisiert. Alle Gemeinden haben ihre Primäranlagen abgetreten. Investitionen und Unterhalt von Primäranlagen werden neu vom Zweckverband finanziert. Damit wird das Investitionsrisiko einer kleinen Gemeinde geringer. Man zahlt zwar via Wasserpreis alles mit, aber man hat nicht mehr diese Investitionsspitzen, welche die Rechnung in einem Jahr belasten.
Steinschlag?
Wir haben eine Gefahrenkarte erstellt und wir haben die gefährdeten Stellen signalisiert sowie mit Aufenthaltsverboten belegt. Damit haben wir die Situation geklärt.
Balm steckt in der Ortsplanungsrevision. Gestartet wird mit dem Entwurf des Leitbildes. Die Mitwirkung hat stattgefunden, wie entwickelt sich Balm?
Ich hoffe, dass wir das Leitbild im Dezember verabschieden können. Wir wollen die Naturnähe pflegen und unsere Lebensqualität beibehalten. Kämpfen müssen wir für eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Die Buslinie auf den Balmberg soll weiterhin eine direkte Anbindung an den Bahnhof Solothurn haben. Seilpark, Skibetrieb, Seminare sind einige der Angebote auf dem Balmberg. Wenn die Leute zweimal umsteigen müssen, um auf den Balmberg zu kommen, muss man sich nicht wundern, wenn sie dann das Auto nehmen.
Als Gemeindepräsident von Balm haben Sie auch die Funktion eines Touristikers.
Wie gesagt, der Balmberg gehört zu unserem Gemeindegebiet. Natürlich schaue ich, dass die Arbeitsplätze dort soweit als möglich erhalten bleiben. Das steht auch im Leitbild.
Soll auf dem Balmberg auch Entwicklung stattfinden?
Wenn man darunter Bautätigkeit versteht, sehen wir kaum Möglichkeiten. Das ist nicht möglich mit dem neuen Raumplanungsgesetz. Aber es gibt nachhaltige Angebote. Ein schönes Beispiel ist der Seilpark. Für nachhaltigen Tourismus gibt es sicher Entwicklungspotenzial.
Schade ist, dass das Kurhaus nicht mehr seiner ursprünglichen Funktion als Ausflugsziel dient. Wie sieht es diesbezüglich auf dem Berg aus?
Das ehemalige Gewerkschaftsferienhaus ist geschlossen. Und das Kurhaus ist an den Kanton vermietet, der das Gebäude als kantonales Durchgangszentrum für Flüchtlinge nutzt. Es hat sich gezeigt, dass es nicht optimal ist, einerseits ein Durchgangszentrum zu betreiben und nebenan ein Haus zu betreiben, in dem Flüchtlinge leben, die ausreisen müssen.
Eine Attraktion könnte ja auch die mögliche Seilbrücke beim Gschliff werden.
Dort führt ein nationaler Wanderweg durch. Im Gschliff gibt es einen fortwährenden Abbruch von Gestein. Ursprünglich wollten wir den Felsen sichern. Aber wenn man Gestein wegnimmt, folgt weiterhin brüchiger Fels, weit in die Tiefe hinein. Deshalb ist der Wanderweg momentan gesperrt, eine Umleitung ist signalisiert. Eine Lösung und aktuell in Planung ist eine Schrägseilbrücke. Dazu gibt es die «IG Gschliff» mit Vertretern von Gemeinden, Kanton etc, die ein mögliches Projekt erarbeitet.
Wie soll sich Balm in der Wohnzone entwickeln?
Wachstum war am Mitwirkungsanlass ein grosses Thema. Es kamen kritische Fragen. Wollen wir überhaupt wachsen? Wozu? Wir haben noch einige Bauparzellen, von denen aktuell zwei bebaut werden. Man einigte sich darauf, dass die freien Parzellen noch bebaut werden können. Das ergibt bis in zehn Jahren vielleicht einen Zuwachs von 20 Personen.