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Wie die Grenchner Reisebüros mit dem Mangel an Planungssicherheit umgehen. Die Unannehmlichkeiten bei der Heimkehr wiegen schwer. Die Beratung ist umso wichtiger geworden.
Vorsichtig optimistisch: So lässt sich die Haltung der Grenchner Reiseanbieter umschreiben. Momentan gestaltet sich ihr Geschäftsalltag allerdings schwierig: Kundschaft, die sich bereits an Ostern ins Flugzeug setzen will, ist Mangelware. Sogar bei den Sommerferien ist statt Planung Kaffeesatzlesen angesagt, und das, obwohl aktuell beispielsweise die Karibik ziemlich einfach erreichbar wäre. Doch das Risiko von Unannehmlichkeiten bei der Heimkehr schreckt die Leute ab.
Hingegen kommt jetzt das Know-how der Reisebüros zum Tragen: Solange die Traumreise ein Traum bleiben muss, ist das Bedürfnis nach Inspiration, gekoppelt mit der Aufklärung der örtlichen Pandemieregeln, besonders gross.
«Die Leute kommen, um Fragen zu stellen. Doch die Lage ist so dynamisch, dass unsere Antworten jeweils nur eine Momentaufnahme abbilden können», sagt Rolf Probst von der Firma Vasellari. Vereinzelte Anfragen gebe es für Destinationen wie die Kanarischen Inseln und Mallorca. Grundsätzlich sei der Umsatz im Vergleich zum letzten Jahr stark zurückgegangen. Den Schlüssel zur Stabilisierung der Situation sieht Probst in der Impfkampagne.
Er lobt die Disziplin und Geduld der Bevölkerung, sei es beim Impfen, sei es generell beim behördlichen Appell, daheim zu bleiben und aufs Reisen zu verzichten. Diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, seien eine kleine Minderheit.
«Noch sind kaum Buchungen für Ostern und den Sommer eingegangen», bestätigt Mario Kunz, Leiter der Kuoni-Filiale Grenchen, den Trend. «Aktuell sind beispielsweise Ägypten, die Malediven oder die Karibik mit vergleichsweise geringem Zusatzaufwand bereisbar, wobei das Buchungsvolumen nicht mit jenem der Jahre bis 2019 vergleichbar ist.» Die wenigen, die sich auf eine Reise einlassen, seien hauptsächlich Paare und Familien.
Dabei fällt der zusätzliche Aufwand bei der Vorbereitung und Abreise bescheiden aus im Vergleich zu den Stolpersteinen bei der Heimkehr. Das Hauptproblem besteht darin, dass vor der Rückreise in die Schweiz ein Coronatest gemacht werden muss. An sich ist das eine Formalität, die die Reisebüros für ihre Kundschaft einfädeln. Doch wehe, der Test fällt positiv aus. Dann könne die Lage prekär werden, so Probst. Dieses Horrorszenario habe auch in Grenchen entscheidenden Anteil daran, die Leute vom Reisen abzuhalten.
Kunz von Kuoni bringt es so auf den Punkt:
«Ständig ändernde und immer noch weiter gehende Reisehürden verunsichern unseren Kundinnen und Kunden stark und bedeuten für die Reisebranche in diesen Wochen de facto ein Berufsverbot – obwohl wir von keinem Fall Kenntnis haben, in dem sich eine Kundin oder ein Kunde während der Reise angesteckt hat.»
Entsprechend fordert er, «dass die Empfehlung, auf nicht dringende Reisen zu verzichten, möglichst zeitnah aufgehoben wird; dass die Testpflicht für Heimreisende in Flugzeugen nach Ankunft in der Schweiz und nicht schon vor dem Boarding erfüllt werden kann und dass negative Coronatestergebnisse in keinem Fall zu einer Quarantänepflicht nach der Wiedereinreise führen.»
Dass die Reisebüros nach dem Abbau von Hürden mit einer starken Nachfrage rechnen, hängt, neben ihrem breiten Wissen, mit ihren guten Beziehungen zur Luftfahrt zusammen. Kunz erklärt das mit dem Schutz vor finanziellem Schaden, falls eine Pauschalreise nicht oder nur unter Quarantänepflichten stattfinden könne. «Selbstbucher hingegen müssen das Risiko in Kauf nehmen, bei unvorhergesehenen Ereignissen mit Leistungsträgern im Ausland langwierige Verhandlungen mit ungewissem Ausgang zu führen.»
Sofern die Reisehürden im Frühling fallen, rechnen die beiden Reisebüros auf den Sommer hin mit einer Entspannung der Lage. Eine Normalisierung der Nachfrage in der Tourismusbranche vor dem Jahr 2023 halten sie hingegen für wenig wahrscheinlich.
Viele Leute können die nächste Ferienreise kaum mehr erwarten. Da sind sich die Reiseanbieter einig. Deutlich spürt das auch Elsbeth Schnider, Geschäftsführerin von Vollenweider Reisen. «Jede Woche erhalten wir Anrufe von Stammkunden, die sich versichern möchten, dass wir nicht ohne sie abfahren, sobald eine Reise zu Stande kommt. Die Leute sagen uns immer wieder: ‹Wir wollen auf jeden Fall mit.›» Die Firma Vollenweider zeichnet sich durch eine enge Bindung ihrer Kundinnen und Kunden aus, von denen manche schon seit Jahrzehnten bei dem Grenchner Unternehmen Pauschalreisen buchen.
Gerade dieses Vertrauensverhältnis hat Schnider dazu bewogen, vorsichtig und zurückhaltend zu planen. Die Reise ins Baltikum etwa, die von 2020 auf dieses Jahr verschoben worden war, hat sie kurzerhand auf 2022 vertagt. Sie argumentiert: «Wir fühlen uns für unsere Leute und ihr Wohlergehen sehr verantwortlich.» Dennoch seien, gemäss aktuellem Stand der Planung, einige Busreisen im Angebot, etwa ins Engadin und nach Kärnten.
Dass die Leute hungrig sind nach einem Tapetenwechsel, spürt auch Mario Kunz von Kuoni: «Sobald die Eindämmung der Pandemie gelingt, wird sich unserer Überzeugung nach ein Nachholeffekt nach Reisen ergeben.» Auch Rolf Probst von Vasellari rechnet mit einem «enormen Nachholbedarf der Bevölkerung» in und um Grenchen.