Das Zürcher Kinderspital sagt weiterhin nicht, wie viele Kinder bei bestimmten Herzoperationen sterben. Derweil verbreitet es auf Facebook Unwahres.
Die Frage ist sehr einfach: Wie viele Kinder mit einem bestimmten schweren Herzfehler starben im Zürcher Kinderspital in den letzten fünf Jahren? Formuliert hat sie auf Facebook die Mutter eines Kindes, das mit dem hypoplastischen Linksherzsyndrom auf die Welt gekommen ist.
Letzte Woche hatte diese Zeitung darüber berichtet, dass laut einer Studie Kinder mit diesem Herzfehler nur eine halb so gute Überlebenschance haben wie im holländischen Utrecht oder im deutschen Giessen. Das Kispi verteidigte sich unter anderem damit, dass die Studie mit Zahlen aus den Jahren zwischen 2001 und 2014 alt sei.
Also die einfache Frage der besorgten Mutter nach aktuellen Daten: Wie hoch war die Sterberate in den letzten fünf Jahren? Das Kispi antwortete öffentlich:
«Nach internen Abklärungen müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass es keine aktuellen Zahlen zu Patienten mit dem hyoplastischen Linksherzsydrom gibt.»
Diese Aussage ist nicht wahr. Das Kinderspital lädt seine Operations- und Sterbezahlen in die Datenbank der Europäischen Gesellschaft der Herzchirurgen hoch. Es besitzt also Daten, die zeigen, wie viele Kinder nach welchen Eingriffen sterben.
Auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt Kinderspital-Generalsekretär Urs Rüegg:
«Die Antwort unseres Social-Media-Teams war nicht korrekt.»
Es handle sich um ein internes Missverständnis.
Doch obwohl das Kispi die Sterberaten hat, will es sie nicht publizieren. Das Kinderspital will zuerst seine Qualitätsdaten «aufbereiten», sagt Generalsekretär Rüegg. Es wird die Fälle des hypoplastischen Linksherzsyndroms einzeln durchgehen und nach Schwere beurteilen. «Erst dann lassen sich daraus schlüssige Aussagen ableiten», sagt Rüegg.
Das Problem: Es gibt keine einheitlichen Standards dafür. Also ist fraglich, ob die Aufbereitung beim Vergleichen mit anderen Kliniken hilft. Als Zeithorizont gibt Rüegg die erste Juni-Hälfte an.
Die Mutter, die die Frage nach den Sterblichkeitsraten gestellt hatte, geht auf Facebook hart mit einem weiteren Argument des Kinderspitals ins Gericht. Dieses lautete, die fragliche Operation mache lediglich zwei Prozent aller grösseren Herzeingriffe am Kinderspital aus. Die betroffene Mutter schreibt: «Diese zwei Prozent sind unsere Kinder! Es hilft uns nicht weiter, wenn wir wissen, dass die Sterberate bei den anderen 98 Prozent im internationalen Vergleich gut ist!»
Um zu beweisen, dass dem so ist, gab das Kinderspital letzte Woche eine denkwürdige Pressekonferenz. Chirurgie-Chef Martin Meuli machte dort eine Aussage, die mittlerweile Eingang in seinen Wikipedia-Artikel gefunden hat: Die Studie, die die hohe Sterblichkeitsrate im Kispi zeigt, sei für Wissenschaftler geschrieben und nicht für Taxifahrer oder Migros-Verkäuferinnen. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» musste er aber eingestehen:
«Bei den Linksherz-Hypoplasten sind wir nicht in der Champions League.»
Das Kispi präsentierte an der Medienkonferenz auch Zahlen. Allerdings zeigten diese, dass das Zürcher Kinderspital bei zehn ausgewählten Operationen in den Jahren 2016 und 2017 11 respektive 18 Prozent höhere Sterblichkeitsraten hatte als der europäische Durchschnitt.
Diese Zahl ist besonders interessant, wenn man sich anschaut, mit welchen Zentren sich das Kinderspital verglich. Ein Viertel der Spitäler steht in den Ländern Albanien, Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Ungarn, Mazedonien, Moldawien, Polen, Rumänien, Serbien und in der Ukraine.
Das Kinderspital sagt dazu, die benutzte Datenbank sei die wichtigste Europas und auf die Länderliste habe man keinen Einfluss. Auf seiner Website schreibt das Kispi weiterhin, es sei «international führend» in der Kinderherzchirurgie.