Ein baldiger Rücktritt von Finanzminister Merz würde der FDP wohl den zweiten Bundesratssitz sichern und der Partei im Idealfall ein populäres Gesicht in der Landesregierung bescheren.
Die FDP ist in der Krise: Niederlage reiht sich an Niederlage und intern fallen die verschiedenen Flügel – wie der heftige Streit um die Weissgeldstrategie zeigt – übereinander her. Will die Partei bei den Nationalratswahlen 2011 ein Debakel verhindern, muss sie das Steuer in den nächsten Monaten herumreissen.
Auch wenn Finanzminister Hans-Rudolf Merz nicht für die schwierige Lage des Freisinns verantwortlich gemacht werden kann: Ein baldiger
Rücktritt des 67jährigen Appenzellers aus der Landesregierung wäre für die Partei von Vorteil. Ein FDP-Nationalrat sagt es so: «Will Merz unserer Partei helfen, muss er bald gehen.»
Auch Äusserungen des Parteichefs Fulvio Pelli in der «NZZ am Sonntag» deuten darauf hin, dass man dem Finanzminister mehr denn je eine Brücke bauen will. Merz leiste gute Arbeit, sagte Pelli. Doch er habe «an Popularität eingebüsst».
Und: «Ein Bundesrat, der weniger populär ist, ist schlechter für die Partei als ein sehr populärer Bundesrat.» Zugespitzt heisst das: Pelli wäre froh, wenn Merz seinen Sessel demnächst räumen würde.
Zwei Gründe legen diesen Schritt nahe.
• Die FDP verliert laufend Wähleranteile. Bei den Nationalratswahlen im Oktober 2011 droht sie gar hinter die CVP zu fallen und somit – von der Randerscheinung BDP abgesehen – zur kleinsten Bundesratspartei zu werden.
Je nach Ausgang der Wahlen ist der zweite freisinnige Sitz im Bundesrat nicht mehr legitimiert. Die FDP muss also versuchen, ihn vorher neu zu besetzen. Die Chancen, dass ihr dies gelingt, stehen gut. Die CVP hat ihren Joker Urs Schwaller bereits gespielt und die verunsicherte SP wird sich hüten, dem Freisinn in den Rücken zu fallen. Schliesslich müssen die Sozialdemokraten bald Moritz Leuenberger ersetzen und sind hiefür auf freisinnigen Goodwill angewiesen. Die SVP schliesslich wird wohl ins Rennen steigen, sie hat aber keine Verbündete.
• Bundesräte sind Aushängeschilder: Umso wichtiger ist es für eine Partei, in der Regierung dynamische und populäre Vertreter zu wissen. Hier hat die FDP ein Problem. Didier Burkhalter hat bisher zwar keine Fehler gemacht, aber auch noch wenig bewirkt. Und Hans-Rudolf Merz hat zu viel Kredit verspielt, um der Partei noch als Zugpferd zu dienen.
Mit der St. Galler Justizdirektorin Karin Keller-Sutter steht indes eine potenzielle Nachfolgerin in den Startlöchern, die der FDP in mehrfacher Hinsicht nützen könnte. Mit Keller-Sutter hätte die FDP erstmals seit dem unrühmlichen Abgang von Elisabeth Kopp im Februar 1989 wieder eine Frau im Bundesrat. Kommt hinzu, dass die St. Gallerin bereits schweizweit bekannt ist und an der bürgerlichen Basis wegen ihrer konsequenten Asyl- und Ausländerpolitik über ein hohes Ansehen verfügt.
Keller-Sutter könnte für die FDP just jenes Zugpferd für die nationalen Wahlen sein, das die Partei momentan so schmerzlich vermisst.
Aufgrund dieser Ausgangslage spricht tatsächlich vieles für einen baldigen Abgang des Finanzministers. Nun geht es wohl vor allem darum, Merz einen Rücktritt zu ermöglichen, der ihn das Gesicht wahren lässt.
Angesichts der drohenden PUK im Zusammenhang mit dem UBS-Debakel wäre das Zeitfenster bis zur Sommersession günstig. Setzt das Parlament im Juni eine PUK ein, kann Merz als verantwortlicher Bundesrat kaum einfach ausscheiden. Dann wird die Zeit vor den Wahlen langsam knapp. Letzter Rücktrittstermin wäre schliesslich der Frühling kommenden Jahres. In diesem Fall müsste der Nachfolger in der Sommersession 2011 gewählt werden.