Der alte Buchenwald bei Lodano im Maggiatal soll auf die Unesco-Welterbeliste. Das sorgt im Tessin für Erstaunen – denn kaum jemand hat diesen rund 300 Hektaren grossen Wald je gesehen.
Von der Gotthard-Bergstrecke war viel gesprochen worden. Auch von der Pilgerkirche Madonna del Sasso ob Locarno. Dass nun ausgerechnet ein Buchenwald im Maggiatal als möglicher Schweizer Kandidat für die Unesco-Welterbeliste gehandelt wird, gemeinsam mit einem Stück Buchenwald auf dem Bettlachstock (SO), so wie vom Bundesrat am 9.Dezember vorschlagen, hat im Tessin für Aufsehen gesorgt. Denn kaum jemand hat diesen rund 300 Hektaren grossen Wald je gesehen. Er befindet sich im Valle di Lodano – einem Seitental des Maggiatals auf einer Höhe ab 700 Meter über Meer. Ein Marsch von rund einer Stunde ab Lodano ist nötig, um bis zu diesem Waldreservat vorzudringen. Sollte er dereinst Unesco-Welterbe werden, ist nicht mit einem Besucheransturm zu rechnen.
Der Anstoss, den Wald zum Welterbe zu erklären, kam jedoch nicht aus der Region selbst. Am Anfang standen die 2007 auf die Welterbeliste aufgenommenen Buchenurwälder der Karpaten in der Slowakei und Ukraine. Nach einer Erweiterung dieser Stätte 2011 auf die Alten Buchenwälder Deutschlands kam die Idee zu einer Ausweitung auf weitere Staaten auf, um eine transnationale serielle Kandidatur zu erarbeiten. In der von einer internationalen Expertengruppe erstellten Liste von Wäldern tauchten dann die beiden Standorte in der Schweiz auf – im Tessin und im Kanton Solothurn. «Diese Wälder bilden gemeinsam ein herausragendes Beispiel für die aussergewöhnliche ökologische Entwicklung der Verbreitung der Buchenwälder in ganz Europa seit der letzten Vergletscherung», sagt Oliver Martin, Leiter Sektion Heimatschutz und Denkmalpflege, im Bundesamt für Kultur. «Wir wurden eingeladen, die beiden Schweizer Standorte vertiefend zu untersuchen.»
Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) informierte 2014 den Kanton Tessin, die Gemeinde Maggia und die Bürgergemeinde. «Wir sind stolz auf eine mögliche Kandidatur – es zeigt, welche Schätze es in unseren Tälern gibt», sagt Aron Piezzi, Gemeindepräsident von Maggia. Er räumt aber ein, dass dieser Wald bisher kein grosses öffentliches Thema war. Als Bundespräsident Johann Schneider Ammann zum 1. August in Lodano weilte, habe man mit ihm darüber gesprochen.
Tatsächlich hat die Bürgergemeinde, Eigentümerin des Buchenwalds, in den letzten Jahren beträchtliche Investitionen getätigt und eine umfangreiche Dokumentation erstellt. Der Wald ist verhältnismässig jung und wird seit 40 bis 70 Jahren nicht mehr genutzt, einige Bäume sind aber über 170 Jahre alt. Jetzt gehe es darum, das Dossier für eine Kandidatur vorzubereiten, wie Carlo Ossola vom Bafu sagt. Wenn alles nach Plan laufe, könne der definitive Antrag im Februar 2018 auf dem Tisch der Unesco-Kommission liegen. Für das Bafu ist der Wald im Val di Lodano «ein aussergewöhnliches Beispiel für die Verbreitung des Buchenwaldes auf der Alpensüdseite nach dem Pleistozän und namentlich aufgrund seiner Lage repräsentativ». Er sei von einer geschützten Pufferzone umgeben, die beispielsweise in das Nationalparkprojekt des Locarnese integriert werden könne.
Gerhard Lob