Startseite
Schweiz
Im November stimmt die Schweizer Bevölkerung über die Hornkuh-Initiative ab. Sie will ein Anreizsystem schaffen, damit weniger Tiere enthornt werden. Das sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Das Volksbegehren will erreichen, dass weniger Nutztiere enthornt werden. Es sind jedoch keine Verbote vorgesehen, sondern finanzielle Anreize. Landwirte, die behornte Tiere halten, sollen Geld bekommen. Konkret will die Initiative die Bundesverfassung um einen Passus ergänzen, wonach der Bund dafür sorgen soll, dass «Halterinnen und Halter von Kühen, Zuchtstieren, Ziegen und Zuchtziegenböcken finanziell unterstützt werden, solange die ausgewachsenen Tiere Hörner tragen». Behornte Tiere bräuchten mehr Stallfläche und einen intensiven Umgang, so die Initianten. Dieser Mehraufwand solle angemessen entschädigt werden.
Die Initianten rechnen mit jährlichen Gesamtkosten von rund 15 Millionen Franken für die Umsetzung der Initiative – wobei das eine Schätzung ist. Der Subventionstopf soll gemäss ihrem Willen dafür aber nicht vergrössert werden, das Geld soll aus dem bisherigen Agrarbudget kommen. Im Initiativtext ist das aber nicht verankert. Auch wie viel die Bauern pro Tier erhalten, lässt er offen. Die Initianten fordern, dass der Bund Bauern pro Kuh 190 Franken und für jede Ziege 38 Franken pro Jahr bezahlt.
Die Initiative hat Armin Capaul lanciert, ein Bergbauer aus dem Berner Jura. Fast im Alleingang sammelte der «Hornkuh-Rebell» die dafür nötigen Unterschriften. Für Capaul ist klar: Wer den Tieren die Hörner wegnimmt, nimmt ihnen auch ihre Würde. «Das Horn ist warm und durchblutet», betont der Bauer. Es gehöre zum Körper der Kühe. Die Hörner seien etwa wichtig für die Kommunikation, das Sozialverhalten und den Stoffwechsel.
Seit dem Aufkommen der Laufställe werden Kühe enthornt, weil dadurch die Verletzungsgefahr für die Tiere wie auch ihre Halter sinkt. Zudem brauchen die Kühe so weniger Platz im Stall. In der Regel werden Enthornungen beim Kalb vorgenommen. Um das Hornwachstum zu unterbinden, werden die Hornanlagen mit einem Brennstab ausgebrannt. Das Tierschutzgesetz gibt vor, dass das Tier dabei betäubt sein muss. Der Eingriff darf von einem Tierarzt oder dem Landwirt selbst ausgeführt werden, sofern dieser einen Kurs absolviert hat.
Gemäss den Initianten tragen in der Schweiz nur noch rund 10 Prozent der Kühe ihre Hörner. Laut einer Umfrage der KAGfreiland, deren Plausibilität durch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau bestätigt wurde, lebten im Jahr 2014 insgesamt 73 Prozent der Milchkühe hornlos. Bei reinen Anbindeställen waren es durchschnittlich 66 Prozent, bei reinen Laufställen 93 Prozent.
In Bezug auf die Bedeutung der Hörner für das Sozialverhalten und das Wohlbefinden von Kühen und Ziegen sind für den Bundesrat noch viele Fragen offen, wie er in seiner Botschaft aus dem Jahr 2017 schreibt. Es gebe keine Studie, die belege, dass das Enthornen das Wohlergehen der Tiere beeinträchtige. Für die Initianten ist dagegen klar: Die Enthornung sei ein «schmerzhafter, massiver Eingrff». Tatsächlich zeigte mittlerweile eine noch nicht veröffentlichte Untersuchung der Universität Bern, dass das Ausbrennen der Hörner die Schmerzempfindlichkeit eines grossen Teils der Kälber beeinflusst. Die Studie belegt, dass Kälber noch Monate nach dem Eingriff an Schmerzen leiden.
Auf der Liste der Befürworter finden sich mittlerweile einige Namen, darunter Organisationen wie Bio Suisse, Greenpeace, Pro Natura, die Kleinbauernvereinigung und der Schweizer Tierschutz. Der Schweizerische Bauernverband hat die Stimmfreigabe beschlossen. Die SP hat die Ja-Parole gefasst, die Grünen dürften sich anschliessen.
Die SVP, die FDP und die BDP lehnen die Initiative ab. CVP und GLP haben die Parole noch nicht gefasst, die CVP dürfte aber wohl auch die Nein-Parole beschliessen. Insgesamt sprachen sich bei der Schlussabstimmung im Nationalrat 49 Politiker für die Initiative aus, 117 lehnten sie ab und 32 enthielten sich der Stimme. Im Ständerat war das Verhältnis 33 Nein- zu 6 Ja-Stimmen bei 5 Enthaltungen.
Die Landesregierung lehnt die Initiative ab. Der Entscheid für oder gegen die Haltung horntragender Tiere ist aus ihrer Sicht ein unternehmerischer Entscheid der Landwirte. Aufgrund der Sympathien der Bevölkerung sieht der Bundesrat ein Marktpotenzial für Produkte horntragender Tiere und deshalb keine Notwendigkeit für neue Beiträge, wie es in der Botschaft zur Initiative heisst. Zudem befürchtet die Landesregierung, dass mit einer Finanzhilfe, die nur auf die Hörner ausgerichtet ist, die Anbindehaltung wieder zunehmen könnte. Diese gilt allgemein als weniger tierfreundlich. Für den Bundesrat wäre das eine «unerwünschte Entwicklung».