Video-Reportage
«Der Hund hat grosse Angst vor dem Beschuss»: Kriegsreporter Kurt Pelda zeigt in der Video-Reportage, wie Ukrainer ihre Haustiere retten

Nicht nur die Menschen leiden unter dem Krieg, sondern auch Tausende Haustiere, die von ihren geflüchteten Besitzern in Frontnähe zurückgelassen wurden. Ein 64-jährige Frau aus Bachmut will dem nicht mehr tatenlos zusehen.

Kurt Pelda, Tschassiw Jar
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Kurt Pelda/Raimond Lüppken

Die Bilder sind unvergessen: Ukrainische Flüchtlinge treffen mit Hunden, Katzen, Meerschweinchen und Singvögeln im Käfig in Westeuropa ein. Sie suchen Schutz vor Krieg und Verfolgung – für sich und ihre Haustiere. Vergessen wird dabei aber, dass viele vertriebene Menschen ihre Tiere nicht mitnehmen konnten oder wollten. In den ukrainischen Frontgebieten ist deshalb eine grosse Zahl von Haustieren auf sich allein gestellt. Niemand weiss genau, wie viele es sind.

Am sichtbarsten sind Hunde und Katzen. Wenn man durch die zerschossenen Dörfer und Städte in Frontnähe streift, nähern sie sich häufig und suchen menschliche Wärme, ein paar Streicheleinheiten. Streunende Hunde merken schnell, wo es noch etwas Essbares gibt. Sie lungern vor den wenigen noch geöffneten Lebensmittelgeschäften herum oder vor den Bunkern, in denen ukrainische Hilfsorganisationen Zivilisten tief unter dem Erdboden verköstigen – gut geschützt vor russischen Artilleriegeschossen. Eine Gruppe Frauen, die seit Monaten mit einem Mädchen in einem Keller haust, bietet auch zwei Katzen Schutz. In Schützengräben und Kommandoposten der Armee hegen und pflegen Soldaten Katzen und Hunde manchmal wie Maskottchen.

Und dann gibt es da Menschen wie Tatjana, selbst eine Vertriebene. Nachdem sie 40 Jahre lang in der nun heftig umkämpften Stadt Bachmut im Donbass gelebt hat, musste sie letzten Herbst ebenfalls die Flucht ergreifen. Allerdings liess sie sich nur wenige Kilometer entfernt im Städtchen Tschassiv Jar nieder, wo der Kriegslärm aus Bachmut ungefiltert zu hören ist. Manchmal schlagen auch dort Granaten und Raketen ein.

Tatjanas Lebenselixier ist es, herumstreunenden Hunden, die von ihren geflüchteten Besitzern zurückgelassen wurden, ein neues Heim zu bieten. Sie hat insgesamt 20 Hunde bei sich aufgenommen, zwei davon kommen aus Bachmut. Auf dem Ofen in ihrem kleinen Hause kocht sie ihnen Getreidebrei, das Feuerholz muss sie selbst sammeln, denn Gas und Strom gibt es in Tschassiv Jar nicht mehr. Viele der Hunde sind traumatisiert vom Krach der ukrainischen Kanonen, die aus Stellungen in der Nähe auf die russischen Angreifer bei Bachmut schiessen; und auch von den unüberhörbaren Einschlägen der russischen Geschosse. Die Säcke mit dem Hundefutter bewahrt die 64-Jährige in alten Munitionskisten in ihrem Garten auf. Weil sie so viel Zeit mit Holzsammeln und Kochen verbringt, bereitet ihr eine Nachbarin jeweils die Mahlzeiten zu. Es sind zwei Frauen, die Krieg und Schrecken auf ihre eigene Weise zu trotzen versuchen.