Das Parlament hat zur Initiative des Bauernverbands einen Gegenvorschlag gezimmert. Dieser verankert die Ernährungssicherheit in der Verfassung – und soll gleichzeitig anderen Initiativen den Wind aus den Segeln nehmen.
«Es ist fast ein Wunder», sagt der Präsident des Bauernverbandes, der St. Galler CVP-Nationalrat Markus Ritter. «Das ist ein grosser Tag für das Parlament und das Land.» Der Grund für Ritters Freude: Der Nationalrat stimmte gestern dem Gegenvorschlag zur Initiative für Ernährungssicherheit klar zu. Nur sieben Nein-Stimmen und elf Enthaltungen gab es im 200-köpfigen Rat – ein Triumph für den Bauernverband.
Mit seinem Entscheid macht der Nationalrat den Weg frei für eine Volksabstimmung über den Gegenvorschlag. Die Initiative selbst ist vom Tisch: Der Bauernverband hat angekündigt, sie zurückzuziehen. Er findet den Gegenvorschlag konkreter und vor allem mehrheitsfähiger als die eigene Initiative. Der vom Ständerat erarbeitete Gegenvorschlag will die Ernährungssicherheit wie vom Bauernverband gefordert in der Verfassung verankern. Er berücksichtige dabei die ganze Wertschöpfungskette «vom Feld bis zum Teller» oder von der «Heu- bis zur Essgabel», betonten Nationalräte von links bis rechts. Die Sicherung des Kulturlandes ist genauso ein Element des Gegenvorschlags wie der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.
Dieser Ansatz stiess im Nationalrat auf breite Zustimmung. «Der Aspekt Ernährungssicherheit ist durchaus verfassungswürdig», sagte etwa die Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo. Widerstand kam einzig von den Grünliberalen. Kathrin Bertschy (BE) sprach von einer «Marketing-Kampagne des Bauernverbands». Mit dem Gegenvorschlag werde nochmals in die Verfassung geschrieben, was schon drinstehe – lediglich «vielleicht etwas schöner», kritisierte sie. Alles nur heisse Luft also? Nein, sagt Ritter: «Der Gegenvorschlag wird Einfluss haben auf künftige Gesetze.» Als Beispiele nennt er die zweite Etappe des Raumplanungsgesetzes und die künftige Agrarpolitik.
Der Bauernverband ist nicht der einzige, der zur Landwirtschaft eine Initiative eingereicht hat. Das Parlament diskutiert bald über die Fair-Food-Initiative der Grünen, auch die Debatten über die Initiative für Ernährungssouveränität der Bauerngewerkschaft Uniterre und die Zersiedelungs-Initiative der Jungen Grünen stehen noch an. Mit dem Gegenvorschlag hat das Parlament versucht, auch diese Anliegen bereits aufzunehmen.
In den Augen der Initianten der drei Volksbegehren ist das nur teils gelungen. Der Grüne Luzerner Nationalrat Louis Schelbert sagt, zwar hätten zwei Elemente der Fair-Food-Initiative im Gegenvorschlag Unterschlupf gefunden. «Es handelt sich aber nur um Absichtserklärungen. Die Initiative verlangt konkrete Handlungen.» Ein Rückzug der Fair-Food-Initiative steht derzeit nicht zur Diskussion. «Wir sammeln sicher nicht 120000 Unterschriften, um nachher nichts in den Händen zu haben», so Schelbert. Auch Uniterre und die Jungen Grünen sehen keinen Anlass, ihre Initiativen zurückzuziehen. Dass ein Teil der Anliegen aufgenommen wird, dürfte es den Gegnern indes erleichtern, sie zu bekämpfen.
Einen kleinen Dämpfer mussten die Bauern gestern auch hinnehmen. Der Nationalrat erklärte sich im zweiten Anlauf einverstanden damit, bei den Bauern zu sparen. Für Subventionen stehen für 2018 bis 2021 insgesamt knapp 13,6 Milliarden Franken zur Verfügung. Das sind 232 Millionen weniger als in der aktuellen Periode – allerdings immer noch mehr, als der Bundesrat ursprünglich vorgeschlagen hat.
Maja Briner