Reform der Altersvorsorge: Versöhnliche Töne der Arbeitgeber

Die Arbeitgeber setzen nach dem Ja zur AHV-Steuer-Vorlage bei der Reform der Altersvorsorge auf kleine, aber schnelle Schritte. Sie haben die Lehren aus den gescheiterten Reformen der Vergangenheit gezogen.

Daniel Zulauf
Drucken
Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt. (Bild: KEY)

Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt. (Bild: KEY)

Die Arbeitgeber hatten der am vergangenen Sonntag mit grosser Mehrheit gutgeheissenen AHV-Steuer-Vorlage nur zähneknirschend zugestimmt. Viel lieber hätten sie zwei getrennte Urnengänge gesehen – mit Massnahmen zur Sanierung der AHV, die weit über die am Abstimmungswochenende beschlossene Zusatzfinanzierung von 2 Milliarden Franken hinausgehen sollten. Doch von dieser Idee hat sich der Dachverband nun endgültig verabschiedet.

«Wir haben in der politischen Diskussion gelernt, dass die Schweiz für grosse Würfe nicht gemacht ist», bekannte Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt gestern an einer Medienkonferenz. Rentenerhöhungen auf Vorrat seien nicht mehrheitsfähig und dem Ziel einer nachhaltigen Sanierung der ersten Säule auch nicht förderlich. Es bringe wenig, über Hochrechnungen zu streiten, wie gross das Loch in der AHV in zehn Jahren genau sein werde. «Wir wissen es nicht, und niemand weiss es», sagte Vogt.

Rentenalter-Diskussion aufschieben

Klar vor Augen haben die Arbeitgeber aber, dass sich das Problem schnell wieder verschärft, wenn weiter nichts geschieht. Ihren Berechnungen zufolge drohen schon 2023 wieder rote Zahlen, die bald in die Milliardenhöhe steigen. Angezeigt sei deshalb schnelles Handeln. Damit das aktuelle bundesrätliche Reformpaket AHV21 eine reelle Chance habe und mit einer nur einjährigen Verspätung in Kraft treten kann, müsse das Parlament im kommenden Jahr zu einer Entscheidung kommen, die auch den Test an der Urne bestehe.

Um dieses Ziel zu erreichen, geben sich die Arbeitgeber nun auffallend kompromissbereit. Sie verzichten auf die Forderung einer generellen Erhöhung des Rentenalters. Stattdessen geben sie sich vorerst mit einer zeitlich bis 2025 abgestuften Angleichung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre zufrieden. Statt, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, die Sanierung für die nächsten 10 Jahre sicherzustellen, wollen die Arbeitgeber einen Zwischenschritt einschalten. Mitte 2020 soll die Politik dann nochmals über die Bücher gehen. Davon versprechen sie sich eine leichter verdauliche Vorlage. Statt einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um voraussichtlich 0,7 Prozentpunkte reichen für die nächsten fünf bis sechs Jahre 0,3 Prozentpunkte.

Ab 2027 könnte man dann über eine dannzumal wohl unumgängliche generelle Erhöhung des Pensionsalters befinden, um das Rentenniveau dauerhaft zu sichern. Nicht prioritär sei ein weiterer Ausbau des flexiblen Rentenbezuges. Der Bundesrat setze mit seinem Vorschlag auch die falschen Anreize, indem er die Vorpensionierung im Vergleich zur freiwilligen Weiterarbeit attraktiver gestalte. Damit blende er das Problem einer Knappheit auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der demografischen Entwicklung aus. Stattdessen verlangen die Arbeitgeber, dass der Freibetrag für erwerbstätige AHV-Bezüger von 1400 Franken pro Monat auf 2000 Franken angehoben wird. Nach über 20 Jahren ohne Anpassung sei der Schritt überfällig, zeige doch die Erfahrung, dass der Freibetrag einen wichtigen Anreiz zur freiwilligen Weiterarbeit bilde.

Späte Erkenntnis

Die Arbeitgeber beweisen mit ihren Vorschlägen, dass sie aus den fehlgeschlagenen Reformbemühungen der vergangenen Jahre Lehren gezogen haben. Sie plädieren für eine Politik der kleinen, aber schnellen Schritte. So soll die Reformdynamik am Leben gehalten werden. Der politische Entscheidungsprozess soll sich entlang der sich laufend verändernden Fakten bei der demografischen Entwicklung und der finanziellen Situation der AHV entwickeln und dabei zu mehrheitsfähigen Lösungen führen. Grössere Schritte, wie sie der Bundesrat mit seinen vorwiegend einnahmenseitigen Massnahmen plant, bergen die Gefahr, dass der richtige Zeitpunkt für strukturelle Massnahmen verpasst werde. Diese Erkenntnis kommt beim Dachverband allerdings reichlich spät. Mit seinem langen und zähen Widerstand gegen die letzte Reform trägt er eine Mitverantwortung dafür, dass wertvolle Zeit verloren ging.