15 Quadratmeter für bis zu vier Personen und kaum Gemeinschaftsräume: Bern eröffnet das schweizweit erste Containerdorf für ukrainische Flüchtlinge. Bis zu sechs Monate sollen diese in einem Container hausen.
Noch gleicht das Viererfeld-Gelände am Berner Stadtrand mehr einer grossen Baustelle denn einer Siedlung für mehrere hundert ukrainische Flüchtlinge. Bagger kurven umher, ein Kran ragt über das Areal, Bauarbeiter verlegen Rohre für die Stromleitungen und in den Wohncontainern werden Kajütenbetten aufgebaut, Schränke montiert und Küchen eingerichtet.
Doch schon Anfang nächster Woche sollen hier Schutzsuchende aus der Ukraine untergebracht werden. In einer ersten Phase will die Stadt Bern den Betrieb langsam hochfahren. So sollen im Juli maximal 100 Personen in einen der fünf geplanten Wohnblöcke einziehen. Zwei weitere Wohnblöcke werden in den kommenden vier Wochen fertiggestellt, die zwei letzten erst bei Bedarf, wie die Stadt Bern am Mittwoch mitteilte.
Total hätten hier 1000 Personen Platz. Doch zu einer solch hohen Belegung werde es kaum kommen, sagt Claudia Hänzi, Leiterin des Sozialamts der Stadt Bern: «Wir werden nicht jeden einzelnen Container mit den rein theoretisch möglichen vier Personen belegen. Schon bei insgesamt 800 Personen sind wir dicht belegt.»
Die Verantwortlichen reagieren damit auf die Kritik, die nach der Ankündigung des Bauprojekts laut wurde. Ueli Salzmann, Experte für Notunterkünfte, kritisierte in den Tamedia-Zeitungen insbesondere die zu engen Gänge, die kleine Wohnfläche pro Person, die geringe Zahl der Küchen und die ungünstige Raumaufteilung. In der Folge stellt sich heraus, dass die Unterkunft von einer Grafiker-Firma geplant wurde und kein Architekturbüro beteiligt war.
Wie Projektleiter Stefan Bähler vom Kanton Bern sagt, hätten im Juni ein offener Austausch und eine Besichtigung des Areals mit den Kritikern stattgefunden. Dabei seien viele Punkte geklärt worden. Was das Treffen konkret bewirkt hat, lässt er offen. Sowohl Bähler als auch Hänzi wiesen am Medienrundgang mehrmals darauf hin, dass in den kommenden Wochen mit einer tiefen Belegung wertvolle Erfahrungen gesammelt würden und der Betrieb in der Folge laufend optimiert werde.
Ein Augenschein vor Ort zeigt: Die Verhältnisse in der temporären Unterkunft sind tatsächlich alles andere als luxuriös. Die aneinandergereihten Wohncontainer sollen je bis zu vier Personen beherbergen und bieten gerade einmal 15 Quadratmeter Platz, geschlafen wird in Kajütenbetten. Küche, Toiletten und Duschen werden gemeinschaftlich genutzt. Privatsphäre gibt es nur in den eigenen vier Container-Wänden.
Auch der Platz für soziale Aktivitäten ist beschränkt: In den Wohnsiedlungen selbst gibt es keine Gemeinschaftsräume. Diese befinden sich im Verwaltungsgebäude, wo auch die Schulzimmer und der Empfang untergebracht sind. Und dann ist da auch noch der Baulärm. Da in den kommenden vier Wochen zwei weitere Wohneinheiten fertiggestellt werden, sind die Bauarbeiten nach wie vor in vollem Gang.
Sich vorzustellen, dass auf diesem Gelände bald einmal mehrere hundert Personen während Monaten friedlich leben werden, fällt schwer. Die Stadt Bern versteht das schweizweit erste Containerdorf dieser Art denn auch als «Durchgangsstation», wie Claudia Hänzi vom Sozialamt sagt. «Eine permanente Unterbringung auf dem Viererfeld ist nicht geplant. Wir unterstützen deshalb die hier untergebrachten Personen aktiv bei der Suche nach einer regulären Wohnung.»
Sie gehe davon aus, dass die Menschen maximal ein halbes Jahr in der Siedlung auf dem Viererfeld wohnen werden. Wie realistisch das ist, bleibt unklar. Schliesslich hängt die Dauer des Aufenthalts direkt davon ab, wann und ob die Flüchtlinge bezahlbaren Wohnraum finden.
Der Betrieb der Siedlung erfolgt durch die Heilsarmee. Sie ist für die Unterstützung und Betreuung der Bewohnenden verantwortlich und sorgt für Sicherheit und Unterhalt. Ziel sei, dass die im Viererfeld untergebrachten Menschen «ein selbstständiges Leben führen», sagt Manuel Breiter von der Heilsarmee.
Dazu gehöre auch, dass die Flüchtlinge ihre Unterkünfte selber reinigen sowie eigenständig einkaufen und kochen. Sie erhalten einen Bewohnerausweis und können die Siedlung jederzeit verlassen und betreten. Bei Problemen erhalten die Flüchtlinge vor Ort Unterstützung durch Sozialarbeiterinnen.
Aktuell beherbergt der Kanton Bern rund 7000 ukrainische Flüchtlinge. Die Sozial- und Integrationsdirektion geht allerdings davon aus, dass bis Ende Jahr 20'000 Personen in Bern untergebracht werden müssen. Unter anderem deshalb wurde das Containerdorf errichtet. Für den Aufbau der Siedlung hat der Kanton 10 Millionen Franken budgetiert. Dieses sei bis anhin noch nicht überschritten worden, heisst es auf Anfrage.