Die Strasse braucht mehr Geld für den Ausbau und Unterhalt. Die Milchkuh-Initiative hat als Druckmittel viel bewirkt, ist aber konzeptlos und würde die angespannte Finanzlage des Bundes noch verschärfen. Von Tobias Gafafer
Gewiss, mit fünf Vorlagen ist der Abstimmungssonntag vom 5. Juni reich befrachtet. Und doch ist erstaunlich, wie lau der Abstimmungskampf zur Milchkuh-Initiative der Autoimporteure verlief – und das in einem Land, in dem das Auto einen hohen Stellenwert hat. Das Volksbegehren will nicht nur die Hälfte, sondern den gesamten Ertrag aus der Mineralölsteuer zweckgebunden für die Strasse einsetzen. Das wären rund 1,5 Milliarden Franken mehr pro Jahr. Die Autofahrer bezahlten bereits genug, so der Tenor. Von den grossen Parteien hat indes bloss die SVP die Ja-Parole beschlossen.
Fast jeder Steuer- und Abgabenzahler hat naturgemäss das Gefühl, er liefere dem Fiskus zu viel ab. Die Automobilisten aber sind in den letzten Jahrzehnten gut weggekommen. Es kann keine Rede davon sein, dass sie immer mehr bezahlen. Den Preis der Autobahnvignette hat der Bund letztmals 1995 erhöht, die Mineralölsteuer 1993 und den Mineralölsteuerzuschlag 1974. Dank immer verbrauchsärmerer Fahrzeuge und des tiefen Ölpreises bezahlen viele Autofahrer nicht mehr, sondern weniger. Eine Ausnahme sind die Fuhrhalter, die wegen der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe tatsächlich höhere Abgaben entrichten müssen. Bloss: Die demokratisch legitimierte Lenkungsabgabe soll das Wachstum des Schwerverkehrs bremsen, die Verlagerung fördern und die Umwelt schonen. Das entlastet auf den Strassen auch die Automobilisten.
Zum Vergleich: Die Benutzer des öffentlichen Verkehrs, die von einem stark ausgebauten Angebot profitieren, mussten in den letzten Jahren zahlreiche Tariferhöhungen verkraften.
Hintergrund der Initiative sind die vom Volk 2013 verworfene Erhöhung des Vignettenpreises und die drohende Lücke bei der Finanzierung der Nationalstrassen. Es war ein taktischer Fehler des Bundesrats, die Vignettenvorlage dem Volk ohne Gesamtschau zur Strasse vorzulegen. Dass diese wie die Schiene mehr Mittel für den Unterhalt und Ausbau braucht, ist aber kaum bestritten; bloss rotgrüne Kreise stellen dies in Abrede. Der Verkehr und damit die Staus nehmen zu, während die Einnahmen aus der Mineralölsteuer wegen verbrauchsärmerer Fahrzeuge zurückgehen.
Die Initiative dient dabei als Druckmittel. Dieses Vorgehen haben die Autoimporteure von der ÖV-Lobby kopiert. Sie ebnete mit der VCS-Initiative den Weg für den Bahnfonds, den das Volk 2014 annahm. Zwar lehnten der Bundesrat und das Parlament einen Gegenvorschlag zur Milchkuh-Initiative ab. Das müssen die Initianten auf ihre Kappe nehmen, da sie mit ihrer kompromisslosen Haltung selbst die Bürgerlichen verärgerten. Doch sie haben ihr Ziel dennoch erreicht und sollen faktisch mit dem Strassenfonds (NAF) einen Gegenvorschlag erhalten.
Der Ständerat kam ihnen beim NAF im März weit entgegen. Die Strasse soll pro Jahr rund 650 Millionen mehr erhalten, und das primär aus der Bundeskasse. Der Mineralölsteuerzuschlag soll nach viel Kritik nur noch um vier Rappen erhöht werden, die Einnahmen von 400 Millionen sollen aus der Automobil-Importsteuer zweckgebunden werden. Damit fahren Autofahrer längerfristig gar besser, da diese im Gegensatz zu jenen aus der Benzinsteuer mehr oder weniger stabil bleiben dürften. Und damit bleibt auch mehr Geld in der Strassenkasse. Die Gesamtschau zur Strasse, zu der ein weiteres Ausbaupaket gehört, hat im Parlament gute Chancen – und das trotz Störmanövern von Links und Rechts in der nationalrätlichen Verkehrskommission im Vorfeld der Abstimmung vom Juni.
Die Milchkuh-Initiative will noch mehr Mittel zweckgebunden für die Strasse einsetzen, ohne dafür ein Konzept zu haben. Dabei ist das Geld bei der Beseitigung der Engpässe häufig nicht das Problem. Der Ausbau des Gubristtunnels etwa, einer der am stärksten überlasteten Abschnitte im Nationalstrassennetz, ist bereits seit 2012 beschlossen und finanziert. Doch weil die Gemeinde Weiningen den Rechtsweg beschritt, verzögert er sich bis 2026.
Ein Problem hätte bei einer Annahme dafür der Bund. Die Initiative würde auf einen Schlag ein Loch von rund 1,5 Milliarden in seine Kasse reissen. In einer Zeit, in der die Finanzlage ohnehin angespannt ist. Da immer mehr Bundesausgaben gebunden sind, wäre vom zusätzlichen Spardruck unter anderem ausgerechnet der öffentliche Regionalverkehr betroffen. Und das, obwohl die Initianten betonen, sie wollten nicht die Verkehrsträger gegeneinander ausspielen. Politiker reden zwar gerne vom Sparen, verteilen aber lieber Geschenke. Finanzminister Ueli Maurer wird schon stark genug gefordert sein, um das aktuelle Stabilisierungsprogramm ohne allzu starke Abstriche durch das Parlament zu bringen.
Die Milchkuh-Initiative hat im Parlament viel bewirkt, der NAF dürfte der Strasse weit entgegenkommen. Eine Annahme der Vorlage würde dagegen das Stauproblem nicht lösen, sondern bloss neue Schwierigkeiten schaffen.
tobias.gafafer@tagblatt.ch