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Schweiz
Der Bundesrat will Teile des Rüstungskonzerns Ruag verkaufen. Die Privatisierungsfrage führt bei den Parteien zu erstaunlichen Positionsbezügen.
Die Chefs des Technologiekonzerns Ruag jubeln. Die vom Bundesrat beschlossene Privatisierung der Sparte Luft- und Raumfahrt begeistert sie, wie am Montag an einer Medienkonferenz unschwer zu erkennen war. Für die Ruag-Kader, die unter der Fuchtel des Bundes, seiner Kriegsmaterialgesetze und seiner Lohnverordnung stehen, eröffnen sich neue Perspektiven. Folgt jetzt, 20 Jahre nach der Verselbständigung der Staatsbetriebe, eine Welle von Privatisierungen?
Genau das fordert Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen (GLP):
«Die Ruag ist ein Beispiel dafür, wie es auch bei anderen Betrieben laufen sollte.»
In einer Pressemitteilung doppelte die GLP nach: «Staatliche Betriebe müssen sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, statt immer mehr in private Märkte vorzudringen.» Die GLP fordert bereits die Privatisierung von Postfinance.
Ein Gedanke, mit dem sich Post-CEO Ulrich Hurni teilweise anfreunden kann: «Sollte die Teilprivatisierung der Postfinance die politische Bedingung für die Aufhebung des Kredit- und Hypothekarvergabeverbots sein, ginge das für mich in Ordnung», sagt er gegenüber CH Media. Denn es sei für Postfinance «sehr wichtig», dass der Hypothekarmarkt geöffnet werde.
Viele Politiker sind allerdings zurückhaltend. Der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas sagt: «Die vom Bundesrat beschlossene Privatisierung eines Teils der Ruag befürworte ich. Es geht nicht um Bereiche, die ein vom Bund kontrollierter Betrieb abdecken muss. Aber ich bin klar dagegen, dass jetzt auch andere Bundesfirmen privatisiert werden.» Er erwarte im Gegenteil «mehr und nicht weniger Service public».
Die Swisscom etwa habe ihren Grundversorgungsauftrag in den letzten Jahren «stark vernachlässigt». Candinas: «Sie investiert vor allem dort, wo es sich wirtschaftlich lohnt. Dabei müsste sie auch in abgelegenen Gebieten in schnelles Breitbandinternet investieren, dort, wo keiner ihrer Konkurrenten hingeht.» Gleiches gelte für die Post, die Poststellen abbaue und Zeitungen später zustelle: «Sie legt ihre Prioritäten zu stark auf wirtschaftlichen Erfolg. Die Leute wollen aber mehr Postdienstleistungen und nicht mehr Gewinn sehen.»
Selbst der St. Galler FDP-Nationalrat und Unternehmer Marcel Dobler ist nicht einfach Feuer und Flamme, wenn es um Privatisierungen geht: «Dass man Privatisierungen oder Teilprivatisierungen prüft, unterstütze ich. Aber man muss sich das sehr gut überlegen», rät er.
«Swisscom zum Beispiel ist eine Perle, die Leute dort machen einen hervorragenden Job, der Bund als Hauptaktionär profitiert finanziell sehr stark. Aus Sicht des Bundes macht eine vollständige Privatisierung für mich keinen Sinn.»
Den Ruag-Entscheid des Bundesrates hingegen hält er für richtig. «Dort sind im Ausland Geschäftsbereiche sehr stark gewachsen, welche nichts mit der Landesverteidigung zu tun haben.» Auch bei anderen bundesnahen Betrieben bestehe Prüf- und Handlungsbedarf. «So ist es ein artfremdes historisches Überbleibsel, dass die Postauto AG bei der Post und nicht unabhängig oder bei den SBB ist. Ich habe per Postulat einen Bericht zu diesen Fragen verlangt», sagt der FDP-Nationalrat.
Die Zürcher Unternehmerin und SP-Nationalrätin Jacqueline Badran sagt hingegen:
«Wir dürfen gar nichts mehr privatisieren, das ist völliger Quatsch.»
Sie hält auch die Privatisierung des Luft- und Raumfahrtbereichs der Ruag für einen groben Fehler. Der sei mit Steuergeld an die Weltspitze geführt worden. «Und jetzt werden die Gewinne privatisiert.»
Auch den Verkauf der Ruag-Munitionssparte ist für Badran ein fataler Fehler, der die Landesverteidigung schwäche. «Das stoppen wir», sagt sie. Für sie ist klar: Die bisherigen Privatisierungen beim Bund waren ein Fehler, das Rad lasse sich aber leider nicht zurückdrehen. Aber: «Überall dort, wo wir es noch stoppen können, müssen wir es stoppen.»