Vermehrt sind Ärzte aus Rumänien oder Polen hierzulande tätig. Der Berufsverband FMH fordert, dass diese mindestens eine Amtssprache auf Maturitätsniveau beherrschen müssen. Die Spitäler wehren sich.
Verstehen sich Arzt und Patient nicht, kann das fatale Folgen haben. Das hat auch das Parlament erkannt. Darum hat es im neuen Medizinalberufegesetz festgehalten, dass Ärzte «über die notwendigen Sprachkenntnisse für die jeweilige Berufsausübung» verfügen müssen. Was das konkret bedeutet, steht jedoch nicht im Gesetz, sondern muss nun vom Bundesrat auf Verordnungsstufe festgelegt werden. Sein Vorschlag ist jedoch nicht allen griffig genug.
Im Entwurf der Verordnung steht, dass die Medizinalperson «in der Sprache, in der sie den Beruf ausübt», unter anderem die Hauptinhalte komplexer Texte verstehen sowie an Diskussionen im eigenen Fachgebiet teilnehmen können muss. Der Ärzteverband FMH sieht hier jedoch Handlungsbedarf, weil allein der Arbeitgeber über die notwendigen Sprachkenntnisse entscheide. «Zwar ist es erfreulich, wenn ausländische Patienten sich mit einem Arzt in ihrer Muttersprache unterhalten können. Da Medizin aber nur als Teamwork funktioniert, ist zwingend, dass der Arzt auch eine Schweizer Amtssprache beherrscht», sagt Christoph Hänggeli, Geschäftsführer des Schweizerischen Instituts für ärztliche Fort- und Weiterbildung, das dem FMH angegliedert ist. Der Verband fordert darum in der neuesten Ausgabe der «Schweizerischen Ärztezeitung», dass ausländische Ärzte, die hierzulande tätig sein wollen, mindestens eine Schweizer Amtssprache auf dem Maturitätsniveau beherrschen müssen – und dass diese Regelung auch in die Verordnung aufgenommen wird. Denn für Hänggeli ist klar: «Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, sollte ein Arzt in der Schweiz arbeiten dürfen», sagt er. Auch die Nachbarländer hätten diesbezüglich strenge Regeln.
«Die Schweiz hatte bisher viel Glück»
Margrit Kessler unterstützt die Forderung des Ärzteverbandes. Der Präsidentin der Stiftung SPO Patientenschutz und ehemaligen St. Galler GLP-Nationalrätin ist die Empörung anzumerken, wenn sie über dieses Thema spricht. Sie sass noch im Parlament, als dieses im Jahr 2015 das neue Medizinalberufegesetz verabschiedete. Schon damals hat sie sich für schärfere Regeln bei den Sprachkenntnissen der Ärzte eingesetzt – jedoch ohne Erfolg. Kessler sagt: «Es ist unglaublich, was hier abläuft.» Die Schweiz habe Glück gehabt, dass bisher vor allem Ärzte aus Deutschland ins Land gekommen seien, so Kessler. Doch nun kämen immer mehr solche aus Ländern, in denen keine Schweizer Landessprache gesprochen werde. Heute stammen rund 30 Prozent der berufstätigen Ärzte in der Schweiz aus dem Ausland beziehungsweise sind Inhaber eines ausländischen Studienabschlusses der Humanmedizin. Das zeigen die Statistiken des FMH.
Die meisten von ihnen stammen zwar noch immer aus den Nachbarländern, doch in den letzten paar Jahren kamen gemäss Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit auch vermehrt Ärzte aus Ländern wie Bulgarien, Polen, Rumänien oder Spanien in die Schweiz. «Ich frage mich schon, wie das gehen soll, wenn Ärzte aus Rumänien oder Polen mit den Patienten kein richtiges Gespräch führen können», sagt Kessler. Das sei gefährlich.
Sie weiss von einem Todesfall, den es wegen Verständigungsproblemen gegeben habe. Demnach habe ein Patient in einer psychiatrischen Abteilung seinen Arzt versucht darauf hinzuweisen, dass ihm unwohl sei. Doch dieser habe ihn nicht verstanden. Das hatte fatale Folgen: «Der Patient starb an einer Blutvergiftung, die zu spät erkannt wurde», so Kessler. Auch Christoph Hänggeli sagt: «Mit einer strengen Sprachenregelung können Fehldiagnosen und falsche Therapieentscheidungen verhindert werden.»
Spitalverband will keine generelle Regelung
Die Spitäler fordern eine differenzierte Lösung und sind gegen eine generelle Regelung der Sprachkenntnisse von allen Ärztinnen und Ärzten, wie der Spitalverband H+ auf Anfrage mitteilt. Entscheidend sei, wo und wie diese eingesetzt würden. «Bei Ärzten, die beispielsweise im Labor, im diagnostischen Bereich, in der Forschung oder als Spezialisten bei hoch spezialisierten Operationen mitarbeiten und keinen direkten Austausch mit den Patienten haben, macht die Forderung nach den Sprachkenntnissen auf Niveau B2 keinen Sinn», so der Verband. Die Verantwortung für den korrekten Einsatz der Ärzte liege dabei bei den jeweiligen Arbeitgebern. Der Verband befürchtet, dass sich der Ärztemangel sonst weiter zuspitzen könnte: Mit einer solchen Forderung werde es für Spitäler und Kliniken noch schwieriger, qualifiziertes Fachpersonal zu finden.
Laut dem Bundesamt für Gesundheit will der Bundesrat den definitiven Wortlaut der Verordnung noch in diesem Frühling verabschieden. Die Ergebnisse der Anhörung würden dabei berücksichtigt.