SICHERHEIT: Mit der Nato gegen Cyberattacken

Der Bundesrat will bei der Verteidigung gegen Cyberangriffe enger mit der Nato zusammenarbeiten. Die Schweiz soll einem Forschungszentrum des Militärbündnisses in Estland als Partnerstaat beitreten.

Michel Burtscher
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Das Netz als Kriegsschauplatz: Die Bedrohung durch Cyberangriffe nimmt zu. (Bild: Christian Beutler/Keystone (Kriens, 13. November 2013))

Das Netz als Kriegsschauplatz: Die Bedrohung durch Cyberangriffe nimmt zu. (Bild: Christian Beutler/Keystone (Kriens, 13. November 2013))

Michel Burtscher

Eine Betonmauer umgibt das Gelände am Stadtrand der estnischen Hauptstadt Tallinn, der Eingang ist bewacht. In dieser ehemaligen sowjetischen Militärkaserne befindet sich in einem schmucken zweistöckigen Gebäude das Hirn der Nato im Kampf gegen Cyberangriffe. Es ist so etwas wie die Denkfabrik des Militärbündnisses für den Krieg im Netz. Spezialisten erstellen Studien, es werden Übungen mit verschiedenen Angriffs- szenarien durchgespielt und Nato-Mitarbeiter geschult.

Geht es nach dem Bundesrat, soll die Schweiz künftig ein Partnerstaat des Nato Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence werden. Diese Absicht bekräftigte die Landesregierung gegenüber dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei seinem kürzlichen Besuch in Bern. Laut Georg Farago, dem Pressesprecher des eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), wird die Schweiz nun zusammen mit dem Zentrum das weitere Vorgehen besprechen und einen Zeitplan festlegen.

17 Staaten machen schon mit

Gegründet wurde das Nato-Cyberzentrum im Jahr 2008, nachdem Estland Opfer eine Cyber- attacke geworden war. Ziele waren unter anderem die Internetseiten der Regierung und des Parlaments sowie mehrerer Banken. Die Regierung in Tallinn vermutete Russland hinter dem Angriff. Heute hat das Cyberzentrum 17 Mitgliedstaaten, darunter die Vereinigten Staaten, Grossbritannien, Deutschland, Frankreich und die Türkei. Hinzu kommen zwei Partnerstaaten, Österreich und Finnland.

Auch wenn die Schweiz grundsätzlich weniger exponiert ist als Nato-Staaten wie die USA, hat auch hierzulande die Bedrohung durch Cyberangriffe in den vergangenen Jahren zugenommen. Diese Bedrohung spiele für die Sicherheit der Schweiz eine wichtigere Rolle als bisher, der Schutz von Informations- und Kommunikationssystemen und -infrastrukturen habe einen grösseren Stellenwert, heisst es dazu im neuesten sicherheitspolitischen Bericht des Bundesrates. Aufsehen erregt hat im vergangenen Jahr beispielsweise der Hackerangriff auf die Rüstungsfirma Ruag.

Die Details über die Mitarbeit der Schweiz in dem Nato-Zentrum sind noch nicht definiert und müssen verhandelt werden. Laut EDA-Sprecher Farago besteht das Engagement einer Partnernation normalerweise in der Entsendung einer Person für einen Zeitraum von zwei Jahren und einem jährlichen Geldbeitrag von rund 10 000 Euro. Die Schweiz könnte sowohl militärische als auch zivile Experten entsenden. Eine Mitarbeit am Nato-Cyberzentrum als Partnerstaat ist laut Farago neutralitätsrechtlich und neutralitätspolitisch unproblematisch, da es sich um eine Forschungskooperation handelt. Zudem ist das Zentrum nicht Bestandteil der Nato-Kommandostruktur. Weil Cyberangriffe vor Landesgrenzen nicht Halt machten, sei internationale Kooperation in diesem Bereich sinnvoll, sagt Farago. Dies entspreche auch der nationalen Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken, die 2012 vom Bundesrat verabschiedet wurde.

Der Bund hat bereits in der Vergangenheit punktuell mit dem Nato-Cyberzentrum zu- sammengearbeitet. So hat das Verteidigungsdepartement (VBS) 2012 und 2016 an der Cyber- Defence-Übung «Locked Shields» teilgenommen. Diese findet jedes Jahr statt und ist die weltweit grösste ihrer Art. Laut Farago will das VBS 2017 wieder teilnehmen. «Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse sollen zur Sicherheit und Stabilität des Cyberraums beitragen und dienen der Schweiz zur Umsetzung der nationalen Strategie zum Schutz vor Cyberrisiken», sagt er.

Schweiz als begehrte Spielwiese für Hacker

Sicherheitspolitiker begrüssen den Plan des Bundesrates, bei der Cybersicherheit enger mit der Nato zusammenzuarbeiten. Die Schweiz sei eine begehrte Spielwiese für Hackerangriffe, weil sie ein hochtechnologisiertes Land sei, aber keine Nato und keine EU im Rücken habe, sagt der Aargauer GLP-Nationalrat Beat Flach. Er ist überzeugt, dass Cyberangriffe auf Ziele in der Schweiz in Zukunft noch zunehmen werden. «Sicherheit in diesem Bereich ist nur in Zusammenarbeit mit anderen Staaten möglich», sagt Flach. Für ihn hätte eine Schweizer Teilnahme mehrere Vorteile: Einerseits könne so Know-how gewonnen und dadurch die Sicherheit der Schweiz erhöht werden. Ander- erseits würden informelle Kanäle etabliert. «Damit wüssten wir früher, wenn es irgendwo einen Vorfall oder eine Bedrohung gibt», sagt Flach. Der Berner SVP-Nationalrat Werner Salzmann sagt, er sei grundsätzlich kein Fan davon, einfach in je- dem Club mitzumachen. «Wenn es für die Schweiz im Bereich der Cybersicherheit aber nützlich ist, dann sollten wir eine Zusammenarbeit mit diesem Nato-Zentrum prüfen», so der Vizepräsident der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats.