Der Besuch des türkischen Aussenministers Mevlüt Cavusoglu in der Schweiz stellt laut dem Bund keine ausserordentliche Bedrohungslage dar. Trotzdem sagte das Hilton Hotel im Opfikon die für Sonntag geplante Veranstaltung wegen Sicherheitsbedenken ab.
Der Veranstalter könne nicht garantieren, dass die Sicherheit der Hotelgäste, der Besucher der Veranstaltung und der Hotelmitarbeiter gewährleistet sei, sagte Hilton-Eventmanager Alexej Lintchuk am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Ob Cavusoglu auf einen anderen Ort ausweicht, war am Donnerstag noch unklar.
Cavusoglu wollte sich am Sonntag in der Nähe des Zürcher Flughafens mit Generalkonsuln aus der Schweiz und Österreich treffen. Anschliessend war ein Austausch mit Mitgliedern der türkischen Gemeinschaft in der Schweiz geplant. Die Veranstaltung war nach Angaben des Hilton Hotels von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) gebucht worden.
Keine Bedrohung und keinen Grund für Verbot
Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) seinerseits gab am Donnerstagabend Entwarnung. Die Dienste, die beim Bund für Sicherheitsfragen zuständig sind, seien der Auffassung, dass der geplante Besuch keine besonders erhöhte Bedrohung der inneren Sicherheit darstelle. Es lägen deshalb keine Gründe für ein allfälliges Verbot dieses Besuchs vor.
Die Sicherheitsdelegation des Bundesrats (EDA/EJPD/VBS) habe diese Zusatzanalyse, die auf Ersuchen des Kantons Zürich durchgeführt wurde, zur Kenntnis genommen. Auf Basis der darin enthaltenen Feststellungen habe das EDA ein Schreiben des Regierungspräsidenten des Kantons Zürich, in dem Zweifel an der Verantwortbarkeit dieses Besuchs geäussert wurden, in diesem Sinne beantwortet.
Die Bundesstellen wollen die Entwicklungen in dieser Angelegenheit weiterhin aufmerksam verfolgen. Sie sind laut EDA-Angaben bereit, ihre Empfehlungen bei Bedarf anzupassen.
Mahnung an alle Länder
Am Donnerstag fand in Bern ein Treffen zwischen einer Vertreterin des EDA und dem türkischen Botschafter statt, an dem die Modalitäten des Besuchs besprochen wurden. Der Bund steht zudem weiterhin in engem Kontakt mit den Zürcher Behörden.
Die Schweiz lege Wert darauf, die Wichtigkeit des Grundsatzes der Meinungsäusserungsfreiheit in unserem Land zu unterstreichen, schreibt das EDA. Sie erwarte von den Behörden anderer Länder, insbesondere der Türkei, dass sie diesem Grundrecht die gleiche Bedeutung beimesse.
Kanton Zürich hätte anders entschieden
Die Zürcher Sicherheitsdirektion nehme den Entscheid des Bundes zur Kenntnis, teilte die kantonale Behörde als Antwort auf den Entscheid des Bundes mit. Die politischen Verantwortlichen des Bundes hätten so entschieden. Der Kanton Zürich hätte einen anderen Entscheid besser gefunden.
Die Sicherheitsdirektion habe schwerwiegende Sicherheitsbedenken vor dem Hintergrund, dass der geplante Besuch des türkischen Aussenministers offensichtlich in einem direkten Zusammenhang mit der Abstimmung von Mitte April über die türkische Verfassungsreform stehe.
Angesichts der äusserst kontroversen Diskussionen um Auftritte türkischer Repräsentanten in Deutschland rechnet die Sicherheitsdirektion mit massiven Kundgebungen um den Veranstaltungsort. Die Kantonspolizei werde im Auftrag des Bundes und in Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort das Mögliche tun, um die Sicherheit zu gewährleisten und Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten.
Zahlreiche Absagen in anderen europäischen Städten
In Hamburg hatten Behörden einen für Dienstag geplanten Auftritt Cavusoglus abgesagt. Auch in anderen deutschen Städten wurden Wahlkampfveranstaltungen türkischer Minister gestrichen. Als Reaktion reichte die Regierung in Ankara eine Liste für 30 weitere geplante Veranstaltungen türkischer Minister in Deutschland ein. Am Mittwoch wurde eine im niederländischen Rotterdam geplante Wahlkampfveranstaltung mit Cavusoglu abgesagt.
Bei diesen Veranstaltungen handelt es sich offenbar um Wahlkampfauftritte für die Verfassungsreform, die Präsident Recep Tayyip Erdogan plant. Diese würde noch mehr Macht in seinen Händen konzentrieren und das Parlament schwächen. Über das Vorhaben wird am 16. April per Referendum abgestimmt.
Wahlkampfauftritte im Ausland und in diplomatischen Vertretungen ausserhalb der Türkei verstossen eigentlich gegen das türkische Wahlgesetz. Dort heisst es in Artikel 94/A: «Im Ausland und in Vertretungen im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden.»
Der Vertreter der Oppositionspartei CHP in der Wahlkommission, Mehmet Hadimi Yakupoglu, sagte der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag, die Regierungspartei AKP selbst habe das Gesetz 2008 eingeführt. (sda)
"Im Zweifelsfall für das freie Wort": Unser Kommentar zum geplanten Besuch aus der Türkei