Während die Stimmen lauter werden, die wirtschaftlich gegen Saudi-Arabien vorgehen wollen, hat das Parlament die Praxis der Wirtschaftssanktionen in der Schweiz untersucht. Fazit: Bei der Überwachung liegt einiges im Argen.
Angesichts des brutalen Mordes am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi stellt sie sich wieder: die Frage, ob es Wirtschaftssanktionen braucht, um ein Unrechtsregime wie Saudi-Arabien auf den richtigen Weg zu bringen. Für die Schweiz wäre das nichts Neues. Seit dem Ende des Kalten Krieges beteiligt sie sich an vielen Strafmassnahmen.
Derzeit hat die Schweiz rund 20 Staaten mit Sanktionen belegt; Länder wie Nordkorea, Syrien oder Iran, die systematisch Menschenrechte verletzen. In rund der Hälfte der Fälle setzt die Schweiz verbindliche Sanktionen der UNO um. Beim Rest handelt es sich um Strafmassnahmen der EU, welche die Schweiz aus eigenen Stücken vollständig oder teilweise mitträgt.
Wirtschaftssanktionen können indes nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie von den Firmen eingehalten werden. Ob dies in der Schweiz der Fall ist, kontrolliert der Bund allerdings nur ungenügend – so das Fazit eines Berichts der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats. «Bei der Durchsetzung der Sanktionen gibt es deutliche Defizite», sagt der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder, der die zuständige Subkommission präsidiert.
Die Liste beanstandeter Punkte ist lang: Die Zollverwaltung kümmert sich in erster Linie um Importe, weil es dort Steuern einzutreiben gilt. Die Zeit zwischen der Anmeldung und möglicher Kontrollen ist zu kurz. Die Behörden begnügen sich zudem meist mit schriftlichen Nachfragen, anstatt vor Ort zu kontrollieren. Zu einer unangekündigten Kontrolle eines Unternehmens ist es bis heute nie gekommen, kritisiert die Geschäftsprüfungskommission.
Eine spezielle Herausforderung sind sanktionierte Luxusgüter. In gewisse Länder ist es verboten, Uhren, Schmuck oder Edelsteine ab einem gewissen Warenwert zu exportieren. Diese Massnahmen zielen direkt auf die Elite des Landes, um diese zum Einlenken zu bringen. Zwar definiert die Schweiz jeweils einen Grenzwert, ab dem ein Produkt als Luxusgut gilt. Um zu eruieren, ob der Verkaufspreis des Exportguts jedoch über diesem Wert liegt, wäre eine umständliche Schätzung nötig, die aus Zeitgründen meist unterbleibt.
Schwierig durchzusetzen sind auch Finanzsanktionen gegen unliebsame Regimevertreter. Schnell ist eine Tarnfirma gegründet, oder man umgeht die Finanzsperre über eine Drittperson. Nordkorea ist beispielsweise bekannt dafür, dass sie mittels eines Netzwerkes von Firmen sanktionierte Waren ins Land einführt. Reisebeschränkungen für unerwünschte Politiker kranken wiederum daran, dass die Schweiz mit gewissen Ländern wie Russland Abkommen zur Visumsbefreiung für diplomatisches Personal abgeschlossen hat. Dementsprechend fällt es schwierig, diesen Personen den Zutritt zum Land zu verwehren.
Ein grundlegendes Problem ortet die Geschäftsprüfungskommission beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco, das die Hauptverantwortung für die Wirtschaftssanktionen trägt. «Beim Bund fehlt es an einer übergeordneten Stelle, welche die Sanktionspolitik steuert», sagt Eder. Das Seco hätte zwar Zugang zu reichhaltigem Datenmaterial, doch nutzt es dieses nur ungenügend.
Ins Gewicht fällt das vor allem bei meldepflichtigen Gütern. Verzichtet die Schweiz auf ein Exportverbot, erlässt sie häufig Meldepflichten, um sicherzustellen, dass es zu keinen Umgehungsgeschäften über die Schweiz kommt. Idealtypisch ist das im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegenüber Russland der Fall. Das Problem ist: Das Seco tappt im Dunkeln , weil es die Zahl der Meldungen nicht systematisch auswertet. «Das Instrument der Meldepflicht wird somit für seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Überwachungen der Transaktionen in einem sensiblen Bereich, nicht genutzt», sagt Eder.
Trotz der festgestellten Mängel hat die Geschäftsprüfungskommission keine Indizien gefunden, dass die Firmen die Wirtschaftssanktionen in grossem Stil umgehen. Eine Untersuchung des Handels mit Nordkorea, Syrien, Iran und der Krim zwischen 2011 und 2016 hat nur einzelne Warensendungen mit sanktionierten Gütern ergeben. Dies könnte damit zusammenhängen, dass viele Firmen aus Imagegründen davon absehen, gegen das Recht zu verstossen – oder aber die illegale Ausfuhr so einfach ist, dass sie unentdeckt bleibt. Kritisch muss in diesem Zusammenhang stimmen, dass das Seco seit 2006 lediglich in 23 Fällen eine Verurteilung aussprach.