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Schweiz
Um häusliche Gewalt besser einzudämmen, wollen Bund und Kantone künftig entschlossener handeln. Zu diesem Zweck haben sie ein Massnahmenpapier ausgearbeitet.
(mg) Die nackten Zahlen sind schauerlich: 20'000 Straftaten im Bereich der häuslichen Gewalt wurden 2020 registriert. Das sind rund 54 Fälle pro Tag. 28 Menschen sind im vergangenen Jahr an den Folgen solcher Gewalttaten gestorben. Schauerliche Zahlen rufen oft auch die Politik auf den Plan. So auch jetzt. «Häusliche Gewalt ist ein ernsthaftes Problem, das mit wirksamen und koordinierten Massnahmen bekämpft werden muss», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter am Freitag vor den Medien in Bern.
Das ernsthafte Problem hat nun zu einem runden Tisch geführt. Daran sassen gemäss Mitteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) alle «relevanten Akteure». Am Ende dieses «strategischen Dialog» haben Bund und Kantone nun eine «Roadmap» unterzeichnet. «Diese enthält konkrete Massnahmen, darunter den Einsatz technischer Mittel oder eine zentrale Telefonnummer für Opfer häuslicher Gewalt», wie es in der Mitteilung heisst. Bundesrätin Karin Keller-Sutter:
«Ich bin überzeugt, dass uns die Roadmap weiterbringt. Sie setzt auch ein Signal, dass Bund und Kantone hier gemeinsam vorwärtsmachen.»
Unter anderem sollen die Kantone prüfen, ob Opfern im Rahmen eines Pilotprojektes auf deren Wunsch hin ein Notfallknopf zur Verfügung gestellt werden kann. So können Betroffene in einem Notfall leichter Hilfe rufen. «Es ist wichtig, dass wir das Potenzial technischer Fortschritte nutzen», sagte Keller-Sutter. Sie könne sich vorstellen, dass sich der Bund an den Kosten eines entsprechenden Pilotprojekts beteiligt.
Ebenfalls wichtig sei ein gutes «Bedrohungsmanagement», so die Bundesrätin. Erkennen die zuständigen Stellen Bedrohungen frühzeitig, könnten Gewalttaten verhindert werden. Hier müsse der Austausch zwischen den Behörden und Institutionen «weiter gestärkt» werden.
Fredy Fässler, Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) und St.Galler Regierungsrat, sagt:
«Wir müssen von einer grossen Dunkelziffer ausgehen.»
Darum sei es nun wichtig, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit vorangetrieben werde und einheitliche Qualitätsstandards abgemacht würden.
Weitere Handlungsfelder sieht der Runde Tisch etwa in der Prävention, beim Schutz von Kindern, aber auch in der Arbeit mit Tätern. Letzteres müsse verstärkt werden. Gezielte Begleitmassnahmen oder spezialisierte Programme würden darauf abzielen, anhaltende häusliche Gewalt zu unterbrechen und die Gefahr von Rückfällen zu verhindern. Viele der Handlungspunkte der Roadmap haben mehr Empfehlungscharakter. Trotzdem glaubt Fässler, dass der runde Tisch «Bewegung in die Sache gebracht» hat.
Wie Fässler ausführte, haben bereits zwei Kantone Interesse gezeigt, ein Pilotprojekt beim Notfallknopf durchzuführen. In einer nächsten Sitzung der KKJPD werde das sicherlich besprochen. Um welche Kantone es sich handelt, sagte Fässler nicht.