Ruag jubelt, Politiker warnen

Der Bundesrat will den Rüstungskonzern Ruag entflechten und einen Teil privatisieren. Die Aufspaltung freut aber nicht alle.

Henry Habegger
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Bundesrätin Viola Amherd mit Remo Lütolf, Verwaltungsratspräsident der Ruag, an der gestrigen Medienorientierung. (Bild: Peter Schneider/Keystone)

Bundesrätin Viola Amherd mit Remo Lütolf, Verwaltungsratspräsident der Ruag, an der gestrigen Medienorientierung. (Bild: Peter Schneider/Keystone)

Von einer «tollen Perspektive» sprach Remo Lütolf, Verwaltungsratspräsident des bundeseigenen Technologiekonzerns Ruag. «Ein bald ehemaliger Staatsbetrieb ist voll motiviert auf dem Weg zu neuen Eigentümern», sagte er gestern vor den Medien. Lütolf jubelte:

«Unser Land wird ein Flaggschiff für die Luft- und Raumfahrt werden.»

Nüchterner wirkte die neben ihm sitzende neue Verteidigungsministerin Viola Amherd, als sie den vom Bundesrat beschlossenen Totalumbau des mittlerweile 20 Jahre alten Rüstungskonzern verkündete. Die Ruag sei ein weltweit tätiger Konzern geworden, noch 30 Prozent seines Umsatzes von zwei Milliarden stammten aus der Armee.

Die Ruag soll im Lauf der nächsten Jahre unter einem Holdingdach in zwei vollständig getrennte Teile aufgespalten werden: In die MRO Schweiz, die für Unterhalt und Reparatur der Armeesysteme zuständig wird. Amherd sagte:

«Die rund 2500 Mitarbeitenden werden sich insbesondere um die Instandhaltung einsatzrelevanter Systeme wie zum Beispiel der Kampfflugzeuge kümmern.»

MRO Schweiz werde Materialkompetenzzentrum der Armee und deren zentraler Zu­lieferer. Alle anderen heutigen Ruag-Bereiche mit ihren etwa 6500 Beschäftigten (viele davon im Ausland) werden in die Ruag International ausgegliedert. Diese, so der Plan, wird zu einem international konkurrenzfähigen Luft- und Raumfahrtskonzern mit Sitz in der Schweiz. Der Bund verspricht sich dadurch technisches Know-how und hochspezialisierte Arbeitsplätze.

Abschied vom Kriegsmaterial

Ruag International soll mittelfristig vollständig privatisiert werden. Denn es bestehe kein öffentliches Interesse daran, dass der Bund dieses Geschäft selbst betreibe, sagte Amherd. In dieser Fokussierungsstrategie des Bundes für die Ruag haben aber verschiedene traditionelle Bereiche keinen Platz mehr. Allen voran die heutige Ruag Ammotec, die Munitionsfabrikation also. Diese soll verkauft werden, womit der Bund auch «politische Risiken» reduzieren will und sich aus der Kriegsmaterialproduktion verabschiedet.

Laut Amherd ist die Versorgungssicherheit damit nicht gefährdet. Heute schon kämen Bestandteile von der Ruag einzig noch produzierten Kleinkalibermunition aus dem Ausland. Die Ammotec verfügt über mehrere Fabriken im Ausland, etwa in Deutschland. Die modernste Anlage aber steht in Thun und beschäftigt 300 Mitarbeiter. Dem Käufer will der Bund Auflagen machen, den Standort weiterzubetreiben. Als mögliche Käufer genannt werden etwa die deutsche Rheinmetall oder die norwegische Nano.

Abhängigkeit vom Ausland wird grösser

Durch die Desinvestitionen sollen mindestens 500 Millionen gelöst werden, so der Plan. Dieses Geld soll in den Auf- und Ausbau des Luft- und Raumfahrtskonzerns gesteckt werden. Mit dem Ziel, diesen in der Schweiz zu verankern und den späteren Verkaufserlös für den Bund zu erhöhen. Viele Bundespolitiker reagieren vorsichtig auf die Ruag-Entscheide der Regierung. SVP-Nationalrat Werner Salzmann (BE), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) «hinterfragt» den Ammotec-Verkauf. Die Abhängigkeit vom Ausland werde noch grösser. Der Verkauf liege zwar in der Kompetenz des Bundesrats, aber die SIK werde sich vertieft mit der Frage befassen. Am 8.April werde Verteidigungsministerin Viola Amherd zur Sache angehört.

Kritisch ist auch BDP-Nationalrat Lorenz Hess (BE), seines Zeichens Oberst und Jäger. Zwar stimme es, dass die Schweizer Armee «schon immer von ihren unglaublichen Lagerbeständen an Munition lebte». Aber: Wenn der Bund die Munition nicht mehr selbst herstelle, sei er wieder ein bisschen mehr vom Ausland abhängig. SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf (ZH) stellt fest, dass die Munitionsherstellung immer wieder zu «ethischen Konflikten» geführt habe.

«So gesehen ist es gut, wenn der Bund kein Kriegsmaterial mehr herstellt. Andererseits geht es um Arbeitsplätze, und der Bund kann künftig nicht mehr direkt auf die Firma einwirken.»

Der Bund müsse dafür sorgen, dass die Ammotec-Angestellten «die gleich guten Arbeitsbedingungen haben wie bisher». Und er müsse «die politische Kontrolle über die Exporte verstärken».

Zustimmung kommt von den Grünliberalen. Beat Flach (AG) sagt:

«Überall, wo es einen funktionierenden Markt gibt, muss der Staat nicht mitspielen.»