Eine nicht autorisierte Biografie beleuchtet Roger Köppels Weg zum SVP-Scharfmacher. Gezeichnet wird das Bild eines ehrgeizigen Einzelkämpfers, der vom Kampf gegen den «Mainstream» angetrieben wird.
Der Name Christoph Blocher fällt schon ganz zu Beginn in der am Donnerstag erschienenen Biografie von Roger Köppel. Und er taucht auf den rund 270 Seiten immer wieder auf. Erstmals getroffen hat Köppel den damaligen SVP-Nationalrat Blocher im Frühsommer 2000.
Er habe sich zu dieser Zeit als Chefredaktor des «Tages-Anzeiger-Magazins» in einem linken Milieu bewegt, «ohne ganz herausgefunden zu haben, wie ich selbst eigentlich tickte», wird Köppel vom Autor der Buches, dem Journalisten Daniel Ryser, zitiert. Köppel war damals 35 Jahre alt, und das Gespräch mit Blocher zum Thema Führungsmethoden beeindruckte ihn schwer: «Ich war begeistert.»
Das Treffen in Blochers Villa in Herrliberg ist nach dem frühen Tod der Eltern der zweite grosse Bruch im Leben von Köppel, so die These des langjährigen «WOZ»-Journalisten Ryser. Was folgt, ist der Wandel vom Anhänger pragmatischer Sozialdemokraten wie Gerhard Schröder zum Journalisten mit klar bürgerlichem Kompass und schliesslich zum publizistischen Fahnenträger der SVP. Jener Partei, für die Köppel vor drei Jahren mit einem überragenden Ergebnis in den Nationalrat gewählt wurde.
«Blocher hat mich mit seiner intellektuellen Schärfe und seiner Lebensleistung beeindruckt», sagt Köppel, als wir ihn auf die These vom Bruch ansprechen. «Aber daraus ein religiöses Erweckungserlebnis zu machen, ist leicht übertrieben.» Die Geburten seiner drei Kinder seien grössere Einschnitte gewesen.
Seine Abkehr vom linksliberalen Milieu sei nicht ruckartig, sondern organisch verfolgt. Schon Mitte der 1990er Jahre, als er von der «NZZ» ins Kulturressort des «Tages-Anzeigers» wechselte, sei er gerne aus den Reihen der dort tonangebenden Linken getanzt. Als er dann als «erster Journalist» entdeckte, dass Blocher «genial ist» und diesen 2003 zur Wahl in den Bundesrat empfahl, da hätten einige Vertraute die Strassenseite gewechselt, sagt Köppel in Rysers Buch. «Sie waren nicht bereit, die Hitze auszuhalten.»
Sein langjähriger Arbeitskollege Eugen Sorg sagt im Buch, Köppel habe die Tendenz, immer dorthin zu gehen, wo alle dagegen sind. «Wenn sämtliche Schweizer Journalisten rechts schreiben würden, dann müsste ich eine linke Publikation machen», sagt Köppel im Gespräch.
Das Argumentieren gegen die Mehrheitsmeinung, gegen den angeblichen Mainstream, das scheint für den 53-jährigen Zürcher ein Sport zu sein, bei dem ideologische Verrenkungen dazugehören. Seine Meinung vertritt Köppel aber mit einer zunehmenden Härte, über die sich Weggefährten im Buch irritiert zeigen. Er tut dies am Rednerpult im Nationalrat, bei Podiumsveranstaltungen und in seiner «Weltwoche», die er seit inzwischen mehr als zehn Jahren als Verleger und Chefredaktor führt.
Ryser hat für die nicht autorisierte Biografie zahlreiche Begleiter interviewt und dabei Anekdoten gesammelt, die einiges über Köppels Charakter verraten: Etwa jene, wie er als knapp 20-jähriger Landhockey-Spieler die fehlende Technik mit Fleiss zu kompensieren versucht und im strömenden Regen alleine ein spezielles Dribbling übt, während die Teamkameraden im Klubhaus beim Bier sitzen und denken: «Ist der nicht dicht?»
Köppels unbedingter Leistungswille und die Unfähigkeit, Schwäche zu zeigen, drücken im Buch immer wieder durch: «Am Tag nach dem Tod meiner Mutter – sie starb an einem Montag – bin ich wieder zur Schule gegangen.» Er war 13, als sich die Mutter im Bahnhof Kloten vor den Zug warf. Später bezeichnete Köppel Selbstmord in seiner «Weltwoche» als «Akt fundierter menschlicher Unreife». Kurz nach der Mutter starb auch Köppels Vater.
Es sind unter anderem diese Brüche, die das Buch lesenswert machen. Köppel hat es nach eigenen Angaben noch nicht gelesen, er habe Ryser aber als «unermüdlichen Faktensammler» erlebt. Wie viel Köppel 2006 für die «Weltwoche» bezahlt hat und ob er tatsächlich weder von Blocher noch aus einer anderen Quelle Geld erhalten hat, dieses gut gehütete Geheimnis kann aber auch Ryser nicht lüften.
Doch die grösste Frage, die offen bleibt, ist die: Ist Köppel ein politischer Überzeugungstäter oder sucht er primär den Widerstand, die Hitze? Und: Drängt es ihn auf der Suche nach dieser Hitze in den Bundesrat?
Daniel Ryser: In Badehosen nach Stalingrad – Der Weg von Roger Köppel. Echtzeit-Verlag, 272 S., Fr. 36.–