Der Walliser CVP-Ständerat Beat Rieder will das Zweitwohnungsgesetz aufweichen – und hat damit gute Chancen. Die Initianten sehen den mühsam erarbeiteten Kompromiss in Gefahr.
Tobias Bär
Nach langem Hin und Her verabschiedete das Parlament im März 2015 das Zweitwohnungsgesetz – drei Jahre nach Annahme der Initiative. Das Gesetz zur Beschränkung des Zweitwohnungsbaus war kaum ein halbes Jahr in Kraft, da reichte CVP-Ständerat Beat Rieder einen Vorstoss zu dessen Lockerung ein. Morgen stimmt der Ständerat darüber ab. Rieders Forderung: Unrentable Hotels sollen vollständig in Zweitwohnungen umgewandelt werden können. In Gemeinden mit vielen Zweitwohnungen ist heute eine Umnutzung nur auf der Hälfte der Fläche erlaubt.
Dass mit Rieder ein Walliser hinter dem Vorstoss steht, ist kein Zufall. Der Kanton ist von den Beschränkungen beim Zweitwohnungsbau besonders stark betroffen. In drei von vier Walliser Gemeinden liegt der Anteil der Zweitwohnungen über 20 Prozent. In solchen Gemeinden dürfen keine neuen Zweitwohnungen mehr bewilligt werden. Zumindest auf dem Papier. Das Umsetzungsgesetz sieht nämlich Ausnahmen vor. Dazu gehört eben die Regelung, dass unrentable Hotels zur Hälfte in Zweitwohnungen umgewandelt werden können. Der Bundesrat wollte die Möglichkeit einer vollständigen Umnutzung ins Gesetz schreiben. Das Parlament kam den Initianten aber in diesem und weiteren Punkten entgegen. Im Gegenzug verzichtete die Fondation Franz Weber auf das Referendum. Diesen «mühsam erreichten Kompromiss» stelle der Vorstoss von Rieder in Frage, heisst es bei den Initianten.
Für Rieder ist eine Anpassung des Zweitwohnungsgesetzes aber unumgänglich: «Der Artikel zur Hotelumnutzung war ein gesetzgeberischer Missgriff.» Ein unrentables Hotel werde nicht rentabel, wenn die Nutzfläche um die Hälfte reduziert werde. «Das haben wir auch nie gesagt», entgegnet Brigit Wyss von der Fondation Franz Weber. Die Hoteliers seien nicht verpflichtet, auf der nicht in Zweitwohnungen umgewandelten Fläche den Hotelbetrieb aufrechtzuerhalten. «In dieser Gebäudehälfte können zum Beispiel Erstwohnungen entstehen», sagt Wyss.
Die Vorstellung der Initianten sei völlig realitätsfremd, meint Christophe Hans vom Branchenverband Hotelleriesuisse: «In den Berggebieten gibt es keinen Markt für Erstwohnungen. Im Gegenteil: Es herrscht ein Überangebot.» Den Besitzern unrentabler Hotels bleibe nichts anderes übrig, als den Betrieb weiterzuführen. Weil das Geld für dringende Investitionen fehle, verschlechtere sich der Zustand der Hotels zusehends, was die Gäste zusätzlich abschrecke, so Hans.
Die Schweizer Hotellerie ist unter Druck. Zu schaffen macht ihr insbesondere der starke Franken. Vor allem die kleinen und mittleren Betriebe leiden. Im vergangenen Jahr verschwanden 100 Hotels, wie Zahlen von Hotelleriesuisse zeigen. «Das ist schade. Doch wir wissen, dass wir uns in einem Strukturwandel hin zu weniger, dafür grösseren Betrieben befinden», sagt Hans. Hotelleriesuisse weibelt für den Vorstoss von Rieder. Er erleichtere unrentablen Hotels den Marktaustritt, «ohne das Ziel der Zweitwohnungs-Initiative zu untergraben», sagt Hans. Denn es gehe um bereits bestehende Gebäude, die Gefahr einer zusätzlichen Zersiedelung bestehe nicht.
Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz kann dieser Argumentation wenig abgewinnen: «Das Zweitwohnungsgesetz soll nicht nur verhindern, dass die Landschaft zubetoniert wird.» Es gehe auch darum, dem Aussterben von Ortskernen entgegenzuwirken, so Rodewald. «Dieses Ziel wird mit dem Vorstoss gefährdet.»
Im Lager der Initianten sperrt man sich nicht grundsätzlich gegen eine Anpassung des erst 2016 in Kraft getretenen Zweitwohnungsgesetzes. «Man sollte aber zumindest den ersten Bericht des Bundes zu den Auswirkungen des Gesetzes abwarten», sagt Brigit Wyss. Dieser wird im Jahr 2020 fällig.
Beat Rieder will bereits wissen, was im Bericht zu lesen sein wird: «Die Möglichkeit zur teilweisen Umnutzung unrentabler Hotels wurde nie ergriffen, weil sie nicht praktikabel ist.» Einen gesetzgeberischen «Blödsinn» müsse man sofort korrigieren, so Rieder. Die Umweltkommission des Ständerats teilt diese Ansicht. Sie empfiehlt den Vorstoss zur Annahme. Von Interesse ist morgen das Abstimmungsverhalten der FDP- und SVP-Vertreter – im Gegensatz zur CVP haben sie den Kompromiss vor zwei Jahren mitgetragen.