Ende Jahr ziehen die EU-Staaten Bilanz über das Verhältnis zur Schweiz. Die Auslegeordnung kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Das Verhältnis zu Brüssel ist nicht nur wegen des Rahmenabkommens angespannt.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist derzeit schlecht auf die Schweiz zu sprechen. So schlecht, dass er Bundespräsident Alain Berset beim Europa-Asien-Gipfel vergangene Woche partout nicht sehen wollte.
Der Grund: Die Schweiz suche trotz Zugeständnissen der EU nach Vorwänden, um den Abschluss eines institutionellen Rahmenabkommens zu verschleppen, wie es in Brüssel heisst. Zuerst die «Fremden Richter», dann die Flankierenden Massnahmen. Nun beharre man mit «Scheinargumenten» auf neuen Ausnahmen bei den Freizügigkeitsrechten von EU-Bürgern. «Es reicht», so ein EU-Diplomat. Unter diesen Vorzeichen beginnen in Brüssel nun die EU-Mitgliedstaaten ihre Arbeiten an einer Art «Zwischenzeugnis» zu den bilateralen Beziehungen. Alle zwei Jahre wird diese Bilanz im Verhältnis Schweiz-EU gezogen.
Diesmal bergen die Schlussfolgerungen zusätzlich Zündstoff, weil gleichzeitig der Entscheid über die Verlängerung der Schweizer Börsenanerkennung ansteht. Kommt diese nicht bis Ende Jahr, würden europäische Händler und Investoren ab 2019 vom Geschäft in der Schweiz abgeschnitten. Die EU-Kommission dürfte die Schlussfolgerungen der EU-Staaten hier als Handlungsanleitung und Rückversicherung verstehen. Um die Position der Schweiz zu erklären, war Urs Bucher, der Schweizer EU-Botschafter in Brüssel, gestern bei der zuständigen Efta-Arbeitsgruppe der Mitgliedstaaten zu Gast. «Ich kann Ihnen nicht sagen, wann wir mit dem institutionellen Rahmenabkommen zu einem Ende finden» gestand Bucher gemäss Redetext gleich zu Beginn ein. Am wichtigsten sei aber, dass man sich um die existierenden Abkommen und deren reibungsloses Funktionieren bemühe.
Neben der Betonung der weitreichenden Vernetzung zwischen der Schweiz und der EU kritisierte Bucher auch deutlich die Befristung der Börsenanerkennung und die verzögerte Aktualisierung des Abkommens über technische Handelshemmnisse im vergangenen Jahr. Dies sei ein «klarer Fall von Diskriminierung», und diese Art und Weise, seine Interessen durchzusetzen, würde in der Schweiz bloss den Euro-Skeptizismus erhöhen, so Bucher.
Die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten hörten sich die Ausführungen genau an. Vor allem die Schweizer Nachbarstaaten Deutschland, Italien und Frankreich drangen in ihren Statements darauf, die Verhandlungen zum Rahmenabkommen so bald wie möglich abzuschliessen. Eine Lösung im Streit über die Flankierenden Massnahmen müsse unbedingt enthalten sein. Einige osteuropäische Staaten informierten sich über die Abläufe bei der Ausschüttung der Kohäsionsmilliarde und für Bulgarien. Rumänien war die Ventilklausel ein Anliegen. Die Börsenäquivalenz hingegen wurde von den EU-Staaten nicht angesprochen.
Die Frage wird sein, ob die Mitgliedstaaten eine harte Linie der EU-Kommission bei der Börsenäquivalenz unterstützen werden. Dem Vernehmen nach gibt es Vorbehalte, die Situation eskalieren zu lassen. Ob sich aber jemand an die Seite der Schweiz stellen wird, ist fraglich. Auf die politisch nächsthöhere Stufe gelangt das Dossier Schweiz bereits morgen Mittwoch. Bei einem Arbeitsfrühstück wird EU-Kommissar Johannes Hahn die EU-Botschafter über den Stand der Verhandlungen informieren.