PUBLIKATIONEN: Das Forschungsrennen spitzt sich zu

In der Schweiz wird nach wie vor Forschung auf Weltklasseniveau betrieben, das belegen neue Zahlen. Der Kampf um die Plätze an der Sonne wird aber immer härter. Das liegt vor allem an den asiatischen Staaten.

Dominic Wirth
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Die Forscher an Schweizer Unis sind Weltspitze. (Bild: Peter Klauzner/KEY)

Die Forscher an Schweizer Unis sind Weltspitze. (Bild: Peter Klauzner/KEY)

Dominic Wirth

Schweizer Podestplätze, so weit das Auge reicht: Das ist nicht nur eine aktuelle Bilanz von den Olympischen Spielen in Südkorea. Sondern auch das Fazit einer neuen Studie, in welcher der Bund die Qualität der Schweizer Forschung vermessen hat. Darin zeigt sich etwa, dass 1,1 Prozent der wissenschaftlichen Publikationen weltweit aus der Schweiz stammen. Das bedeutet Rang 19 in dieser Disziplin, was schon beachtlich ist für ein kleines Land wie die Schweiz.

Noch besser sieht die Bilanz aus, wenn es nicht nur um den blossen Output geht. Sondern auch um die Qualität dieses Outputs. Denn hier landet die Schweiz auf dem Podest. Etwa, wenn es darum geht, wie oft Publikationen zitiert werden, was wiederum Rückschlüsse auf die Qualität der Forschung zulässt. Hier zeigt sich, dass nur Wissenschafter aus den USA und Grossbritannien stärker beachtet werden als jene aus der Schweiz. Deren Forscher haben in den letzten Jahren an Anerkennung gewonnen. Wenn man die Zahl der meistbeachteten Publikationen im Verhältnis zur Einwohnerzahl betrachtet, liegt die Schweiz gar mit grossem Abstand auf dem ersten Platz.

«Die Konkurrenz schläft nicht»

Die Auswertung der Publikationen zeigt: Die Schweizer Hochschulen sind bezüglich der Qualität ihrer Forschung nach wie vor Weltspitze. Alles wunderbar also für die Schweiz, die ja gerne von sich sagt, dass sie nur einen Rohstoff hat, die Bildung? «Die Konkurrenz schläft nicht», sagt Michael Hengartner, Präsident von Swissuniversitites, dem Interessenverband der Hochschulen. Und Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich, der besten Hochschule des Landes, formuliert es so: «Wir können uns keine Selbstzufriedenheit erlauben.»

Tatsächlich verschieben sich die Gewichte in der internationalen Bildungslandschaft. Noch dominieren die westlichen Staaten, sie produzieren die meisten Publikationen und auch jene, die am meisten beachtet werden. Doch die Bildungsoffensiven vor allem asiatischer Länder tragen immer mehr Früchte. So haben die Chinesen ihren Anteil am weltweiten Publikationsaufkommen im Zeitraum von 2011 bis 2015 gegenüber den vorangegangen fünf Jahren deutlich gesteigert. Sie belegen mit 11,1 Prozent hinter den USA den zweiten Platz in dieser Statistik und haben um fast vier Prozent zugelegt.

«Was in China, aber auch in anderen asiatischen Staaten investiert wird, ist mehr als beeindruckend», sagt ETH-Präsident Guzzella. Manche Universitäten hätten Jahr für Jahr 70 Prozent mehr Geld zur Verfügung. Von solchen Wachstumsraten ist die Schweiz meilenweit entfernt, doch der Bildungs- und Forschungsplatz ist auch schon viel weiter entwickelt. Und darben mussten auch die hiesigen Hochschulen nicht: Die Ausgaben für Bildung und Forschung steigen Jahr für Jahr, und wenn im Parlament wie im Dezember über Kürzungen gestritten wird, dann geht es in der Regel um Kürzungen der Erhöhungen. Lino Guzzella sagt, die Politik habe sich in den letzten Jahren «vorbildlich verhalten», unterstreicht aber auch: «Wir dürfen nicht vom Wachstumskurs abweichen, es braucht Geld, damit wir uns gegenüber der immer stärkeren Konkurrenz behaupten können.»

Sorge um den Zugang zum Talentpool

«Cleveres Wachstum», um neue Schwerpunkte zu setzen und Entwicklungen anzustossen: Das fordert auch Matthias Egger, der Präsident des Schweizerischen Nationalfonds, über den jährlich fast eine Milliarde Franken in Forschungsprojekte fliessen. Dass der SNF zuletzt eine leichte Budgetreduktion hinnehmen musste, besorge ihn, sagt Egger: «Es darf nun keine Trendwende einsetzen.» Damit die Schweizer Forscher auch in Zukunft an der Weltspitze mitmischen, schwebt dem Berner ein Kulturwandel vor, den er mit dem SNF anstossen will. «Es gibt weltweit – und auch bei uns – die Tendenz, mehr auf Quantität statt auf Qualität zu setzen. Davon müssen wir wegkommen und noch stärker auf gehaltvolle Publikationen setzen», sagt Egger.

Neben den zuverlässigen Geldströmen gibt es vor allem ein Thema, das Hochschulenvertreter beschäftigt: die politischen Rahmenbedingungen. «Wir dürfen nicht den Fehler machen, mit neuen Vorschriften und Regulierungen – etwa dem gerade diskutierten Tierversuchsverbot – noch zusätzliche Hürden aufzubauen», sagt Swissuniversities-Präsident Hengartner. Lino Guzzella betont die Bedeutung des «internationalen Talentpools» für die Schweizer Hochschulen: «Um diese Leute anzuziehen, müssen wir auch künftig beim EU-Forschungsprogramm Horizon2020 dabei sein. Und wir brauchen genug Kontingente, um auch Forscher aus Drittstaaten ins Land holen zu können.» Wie wichtig Ausländer an den Hochschulen sind, unterstreicht ein Blick auf die ETH Zürich: Gegen 70 Prozent ihrer Professoren kommen aus dem Ausland.