Bundesrat Alain Berset hat gegenüber «Blick» seine aktuellen Lieblingslieder präsentiert. Nur: Hat er denn auch alle Liedtexte richtig interpretiert? Eine Glosse von Inlandredaktor Tobias Bär.
Gestehen Politiker ihre Liebe zu einer Band, einem Sänger, einer Sängerin, dann wird diese selten erwidert. Der gewesene britische Premier David Cameron bezeichnete sich als Anhänger von The Smiths, den Manchester-Ikonen um Sänger und Schmerzensmann Morrissey und Gitarrist Johnny Marr. Letzterer meinte schnöde: «Ich verbiete ihm, uns zu mögen.»
Die Rolling Stones wehrten sich dagegen, dass Donald Trump seine Wahlkampfauftritte mit ihrer Musik beschallte. Trump setzte sich seinem Naturell entsprechend über die Weisung hinweg. In beiden Fällen ging es um ideologische Differenzen. Und darum, dass kein auf seine Aura bedachter Musiker mit der biederen Politik assoziiert werden will.
Was der «Blick» am Mittwoch ankündigte, hat deshalb Sprengpotenzial: Ein Bundesrat präsentiert seine aktuellen Lieblingslieder! Mit Erleichterung nahm man zur Kenntnis, dass es sich um die Auswahl des stilsicheren Alain Berset handelt. Der über das linke Lager hinaus geschätzte Sozialdemokrat könnte höchstens einen Rechtsrocker wie Gölä mit einer Erwähnung verärgern. Doch Derartiges findet sich nicht auf der Liste. Dafür Hörenswertes von Johnny Cash, den Young Gods aus Bersets Heimatstadt Freiburg und von Hipster-Darling Bon Iver.
Heikel wird es aber bei «Get Lucky» von Pharrell Williams und Daft Punk. Musikalisch lassen wir das knapp durchgehen. Wenn der Gesundheitsminister aber sagt, das Lied beschreibe sein Lebensziel und seinen Vorsatz für das neue Jahr, dann müssen wir nachfragen: Sind Sie sicher, dass Sie den Liedtext richtig interpretieren, Herr Bundesrat? «Get Lucky» steht, um im Englischen zu bleiben, für den «act of sexual intercourse». Die ständig wiederkehrende Songzeile würde auf Deutsch wie folgt gesungen: «Wir sind die ganze Nacht auf der Suche nach Sex.» Das Verhältnis von Politik und Pop, es bleibt geprägt von Missverständnissen.
Tobias Bär