ZÜRICH. Ausgerechnet in Phasen des Scheiterns fühlen sich viele katholische Gläubige im Stich gelassen. Bischof Markus Büchel, der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, begrüsst deshalb eine Seelsorgeroffensive für Geschiedene.
ZÜRICH. Ausgerechnet in Phasen des Scheiterns fühlen sich viele katholische Gläubige im Stich gelassen. Bischof Markus Büchel, der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, begrüsst deshalb eine Seelsorgeroffensive für Geschiedene. Daniel Fischler, katholischer Priester in Arlesheim BL, hat bereits einmal ein Paar mit einer Art kirchlicher Zeremonie auf dem Weg zur Trennung begleitet. In der Kirche trafen sich die Scheidungswilligen zu einer Versöhnungsfeier. Auf einem Stück Papier hielten sie fest, weshalb die Ehe aus ihrer Sicht nicht funktionierte. Sie beteten gemeinsam, verbrannten die Zettel, der Rauch und damit die Gründe des Scheiterns stiegen hinauf zu Gott. Heute begegnen sich die beiden mit Respekt.
Fischler erzählte die Episode kürzlich in Zürich bei einem Mediengespräch über das Projekt «Chance Kirchenberufe», bei dem auch Markus Büchel, Bischof von St. Gallen und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, anwesend war. Der Baselbieter Priester ist wöchentlich mit Trennungen konfrontiert, die in einem wüsten Hickhack münden. Er fordert deshalb: «Wir müssen den Fokus vermehrt aufs Scheiden legen.» Ihm schwebt vor, dass die Kirche die Paare mit einem Ritual in dieser schwierigen Situation begleitet. Das Ziel: ein versöhnliches Auseinandergehen. An Arbeit dürfte es den Priestern nicht mangeln. In der Schweiz wird fast jede zweite Ehe geschieden, allein im Jahr 2013 waren es 17 000.
Bloss: In der Lehre der katholischen Kirche ist eine Ehe unauflöslich; was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen. Eine kirchliche Scheidung, quasi als Kontrapunkt zur Trauung, steht für Markus Büchel denn auch nicht zur Debatte. Die von Fischler angeregte Seelsorgeroffensive für Geschiedene begrüsst er aber: «Wir sollten Spezialisten der Versöhnung sein», sagt er. Ihm sei jede Seelsorgeroffensive wichtig. «Die Seelsorge soll immer dem Menschen helfen, damit er im Leben wieder eine Perspektive sieht», sagte er auf eine entsprechende Frage. Es sei ein schönes Zeichen, wenn ein geschiedenes Paar freundschaftlich miteinander umgehen könne. Die Betreuung von Familien nehme im kirchlichen Alltag ohnehin einen wichtigen Platz ein.
Das Bemühen um die geschiedenen Schäfchen kommt nicht von ungefähr. Denn viele Gläubige fühlen sich in schwierigen Lebensphasen, etwa beim Scheitern einer Ehe oder Partnerschaft, von der Kirche verlassen. Dies zeigte eine Umfrage, welche die Bischofskonferenz letztes Jahr bei Seelsorgern durchführte. Die Gläubigen scheuen sich in diesen Krisensituationen, Hilfe bei den Seelsorgern zu suchen, weil sie nicht dem Familienideal der katholischen Kirche entsprechen. Der Glaube erweist sich also ausgerechnet dann nicht als tragfähig, wenn Ehen und Familien auseinanderbrechen. «So werden Krisen in Partnerschaft, Ehe und Familie zu Krisen des Glaubens, in denen die Gläubigen sich oft allein gelassen und durch die Ansprüche der kirchlichen Lehre schlichtweg überfordert fühlen», heisst es im Synthesebericht der Bischofskonferenz über die Umfrage in den Schweizer Diözesen.