On Tour mit dem Teilzeitmann

Neun von zehn Männern wollen nicht mehr Vollzeit arbeiten. Bei den meisten bleibt es beim Wunsch. Die Kampagne «Der Teilzeitmann» will das ändern und besucht Unternehmen. Zum Beispiel die UBS St. Gallen.

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Bereit für mehr Familienzeit? UBS-Banker liessen sich über die Chancen von Teilzeitjobs informieren. (Bild: Luca Linder)

Bereit für mehr Familienzeit? UBS-Banker liessen sich über die Chancen von Teilzeitjobs informieren. (Bild: Luca Linder)

«Die Partnerschaft profitiert», sagt der Mann auf der Leinwand. Er wirkt vertrauenswürdig und ist von seiner Botschaft, die Paare glücklicher machen soll, vollkommen überzeugt. Dann kommt der Satz, den Markus Theunert offensichtlich als Höhepunkt aufgespart hat. Er sagt jetzt, schmunzelnd: «Und auch das Sexualleben ist besser.» – Hoppla, Volltreffer.

Nein, wir befinden uns nicht im Kino, sondern in einer Bank. Genauer: Im UBS-Gebäude beim Hauptbahnhof St. Gallen. Und nein, Markus Theunert ist weder Schauspieler noch Therapeut, sondern Präsident des Dachverbands der Männer- und Väterorganisationen. Richtig ist: Es läuft ein Video. Da ist auch Publikum. Rund 40 UBS-Angestellte sitzen im Raum. Alles Männer. Sie interessieren sich für eine Karriere als – Teilzeitbeschäftigte.

Vom Bund finanziert

«Der Teilzeitmann» heisst eine vom Bund finanzierte Kampagne, die in diesem Jahr durch Schweizer Unternehmen tourt. Sie will rund 50 000 Männer neu von den Vorteilen der Teilzeitarbeit überzeugen, vor Ort, in den Unternehmen selber. Heute in der UBS St. Gallen, die den Teilzeitmännern und ihrer Informationskampagne die Türen geöffnet hat.

«Am häufigsten arbeiten Frauen Teilzeit», erläutert unterdessen eine Professorin im Video. Die Unterschiede sind in der Tat frappant. Bei den arbeitenden Müttern sind 80 Prozent nicht mehr Vollzeit angestellt, bei den Vätern nur 8 Prozent. Markus Theunert spricht deshalb von einem grossen Graben, den man mit dieser Aktion kleiner machen wolle – zum Nutzen der Männer. Denn die Anforderungen an die Väter seien gewachsen, rechnet er vor: 40-Stunden-Arbeitswoche und dazu wöchentlich 30 Stunden Familienarbeitszeit. Der heutige Mann hat alles auf einmal zu sein: Ernährer, aktiver Vater, einfühlsamer Gesprächs- und Liebespartner. Und wenn die Ehe scheitert, gehen als Folge der einseitigen Erwerbsorientierung vieler Männer die Kinder an die Frau. «Weil der Mann sich nicht um sie gekümmert hat», warnt Theunert. Deshalb wirbt er für ein bewussteres Leben, dafür, sich rechtzeitig zu fragen: «Was ist wertvoll zu tun?» Hier schwingt an diesem Mittag dann doch viel Sendungsbewusstsein mit und eine tüchtige Portion Weltverbesserung.

Nur einer von zehn tut es

Was aber, wenn die Realität den Promotoren der Kampagne recht gibt? «Ich bin ein glücklicher Teilzeitangestellter», sagt jetzt nämlich Urs Steiger in einem Testimonial live vor den interessierten Bankern. Steiger arbeitet bei der UBS in Wattwil und betreut Firmenkunden. An vier Tagen die Woche, ohne den Freitag. Das ist seit 2004 so, als seine Frau das erste ihrer zwei Kinder bekam. «Für uns war immer klar: Sollten wir einmal Kinder haben, dann wird meine Frau mit einem Fuss in der Arbeitswelt bleiben.» Gesagt, getan. Er habe die Chance, seine Kinder in einer faszinierenden Lebensphase zu begleiten, schwärmt Steiger. «Das ist mein persönlicher Beitrag an eine bessere Gesellschaft.» Auch Thilo Mangelsdorf, UBS Kreuzlingen, hat getan, was neun von zehn Männern wollen, aber nur einer von zehn tatsächlich macht. Mangelsdorf ist allerdings noch Teilzeit-Frischling und arbeitet erst seit Januar nicht mehr 100 Prozent. Lange genug, um von positiven Erfahrungen zu berichten. «Die Motivation bei der Arbeit hat zugenommen», sagt der Deutsche. Er arbeite jetzt zwar unter der Woche länger, «doch ich glaube, dass sich das noch einspielen wird». Im Team sei man gut organisiert, und sein Freitag werde mitgetragen. Fazit auch hier: «Ich bin ein absoluter Anhänger dieses Modells. Der Kopf ist freier, und der freie Tag schafft erstaunlich viel Freiraum.»

So viel zur Schokoladenseite. Doch auch die weniger süssen Seiten von Teilzeitarbeit kommen an dieser Informationsveranstaltung zur Sprache. Zum Beispiel muss man sich den Verzicht auf einen Teil des Einkommens zuerst einmal leisten können. Dazu kommt mehr Planungsaufwand. Jemand anders im Betrieb muss schliesslich erreichbar sein, wenn man selber nicht da ist. Und auch zu Hause wartet auf die partiellen Hausmänner keineswegs Easy Doing, sondern ebenfalls Arbeit sowie viel Koordinationsbedarf. Ein grosses Thema in der Fragerunde sind auch die Karrierechancen. Kann ein Teilzeitmann aufsteigen? Für Anton Simonet, Regionaldirektor UBS Ostschweiz, ist ein 80-Prozent-Pensum in einer Führungsrolle innerhalb seiner Region absolut denkbar. Hingegen sei eine Kaderstelle zum Beispiel mit einer überregionalen Führungsverantwortung «wahrscheinlich ein 100-Prozent-Job».

Eine «halbe Portion»?

Ein Kapitel für sich sind die Vorurteile gegenüber den «halben Portionen», die nicht mehr voll arbeiten und eine ruhige Kugel schieben – angeblich. Wie sagte doch ein junger Vater im Video: «Ein Neugeborenes ist zwar herzig anzusehen, aber <uhuere> streng.» Teilzeitmann-Projektleiter Andy Keel kennt das Problem: «Wenn ich das Telefon abnehme und sage, dass ich auf dem Spielplatz bin, löst das Reaktionen aus.» Eben deshalb wolle man die Diskussion in die Unternehmen hineintragen. «Wenn wir Teilzeit arbeiten möchten, sind wir eine Provokation für die Kollegen, die das heimlich auch wollen, aber nicht machen», stellt Markus Theunert fest. Und rät, sich gegen schräge Blicke zu wappnen.

Nur eine Frage bleibt an diesem Anlass von Männern für Männer schliesslich ausgeklammert: Niemand will von den anwesenden Teilzeitmännern wissen, ob das mit dem besseren Sex denn nun wirklich stimme.

Christian Kamm